Exhortatio DILEXI TE von Papst Leo
„Option für und mit den Armen als Fundament des jetzigen Pontifikats“
Wir sind Kirche zur Exhortatio DILEXI TE von Papst Leo
Pressemitteilung, München, Rom, 9.10.2025
Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche begrüßt es sehr, dass nach den bisherigen Friedensappellen Papst Leo mit seinem jetzigen Ermutigungs- und Mahnschreiben (Exhortatio) auch das Handeln für und mit den Armen jeglicher Couleur als zentrale Botschaft des christlichen Glaubenshandelns festigt. Mit der Liebe als einer Art Lebenskonzept und Lebensweise definiert Papst Leo ausgehend von der biblischen Befreiungsvision (Nr. 2 des Schreibens u.v.a.) einen Kriterienkatalog für dieses Pontifikat und für unser aller christliches Handeln.
Papst Leo setzt damit den missionarischen Kurs von Papst Franziskus in eindrücklicher Weise fort, den dieser mit DILEXIT NOS („Er hat uns geliebt“) vom 24. Oktober 2024 am Ende seines Lebens noch einmal zusammenfasste. Mit dem heutigen Schreiben DILEXI TE („Ich habe dich geliebt“), das Franziskus schon begonnen hatte, übernimmt Leo dessen programmatisches Erbe.
Das missionarische Fundament dieses ersten offiziellen Schreibens von Papst Leo sieht Wir sind Kirche als herausfordernde Grundlage für die vielen anstehenden und synodal zu treffenden Richtungsentscheidungen, vor der nicht nur der Papst, sondern die gesamte römisch-katholische Weltkirche, ja die Menschheit steht. Es ist ein durchaus politischer Text sehr konträr zur aktuellen US-amerikanischen Politik.
Selbstvergewisserung und Kriterienkatalog
Wir sind Kirche versteht DILEXI TE für die Kirche wie für Papst Leo selber als eine Selbstvergewisserung, dass die „zweitausendjährige Geschichte kirchlicher Aufmerksamkeit für die Armen und inmitten der Armen … wesentlicher Bestandteil des ununterbrochenen Weges der Kirche ist“ (Nr. 103). Ausgehend vom Magnificat („Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen“; Nr. 1) und zahlreichen Beispielen aus den Anfängen der christlichen Gemeinden (Nr. 29) beschreibt er sehr anschaulich – man spürt die eigenen Erfahrungen von Leo besonders in Peru – was christliches Handeln als Lebenskonzept ausmacht. Er teilt den Wunsch seines Vorgängers, dass alle Christen und Christinnen den tiefen Zusammenhang zwischen der Liebe Christi und seinem Ruf, den Armen nahe zu sein, erkennen mögen (Nr. 3). Die Nächstenliebe, die alle Menschen einschließt, ist der greifbare Beweis für die Echtheit der Liebe zu Gott, so Leo (Nr. 26).
Neuauslegung der christlichen Offenbarung
Ausgehend von den Kirchenvätern (ab 39) beschreibt Papst Leo ausführlich den vorbildlichen Einsatz verschiedener Männer- und Frauenorden (ab 50) in der Kirchengeschichte sowie die Sozial-Enzykliken seiner Vorgänger (ab Nr. 83). Er lobt die Neuauslegung der christlichen Offenbarung unter den modernen Gesellschafts-, Arbeits-, Wirtschafts- und kulturellen Verhältnissen, die ohne die Laien undenkbar wäre (82). Bezüglich der Frage der Armen stellt das Zweite Vatikanische Konzil einen wesentlichen Meilenstein des kirchlichen Erkenntnisprozesses im Lichte der Offenbarung dar (Nr. 84).
Befreiungstheologische Grundlagen
Die Versammlungen der lateinamerikanischen Bischöfe in Medellín, Puebla, Santo Domingo und Aparecida stellen, so schreibt Leo, für die gesamte Kirche wichtige Meilensteine dar (Nr. 89). Auch er selber sei dadurch in seinen vielen Jahren in Peru geprägt worden. Erwähnt wird der 1980 ermordete und erst 2015 von Franziskus heiliggesprochene Oscar Romero, Erzbischof von San Salvador, einer der prominentesten Verfechter der Befreiungstheologie (Nr. 89).
Leo beschreibt die Strukturen der Sünde, die Armut und extreme Ungleichheit verursachen und hält es für notwendig, wie Franziskus, der dafür viel Kritik erhielt, weiterhin die »Diktatur einer Wirtschaft, die tötet« anzuprangern (Nr. 92). Das Thema Migration sieht er tief in der Geschichte des Volkes Gottes verwurzelt (Nr. 73). Wie Franziskus fordert Leo bei Flüchtlingen und allen Menschen an den Rändern der Existenz: „aufnehmen, schützen, fördern und integrieren“ (Nr. 75). Die erste heiliggesprochene US-Amerikanerin war eine Migrantin. Und wie Franziskus hat auch Leo eigene Migrationserfahrung.
Der Text enthält einige – teils versteckte – Botschaften, die aufmerken lassen:
- Bestärkung der Vereinten Nationen und deren Zielen zur Beseitigung der Armut (Nr. 10)
- deutliche Kritik an Internierungszentren (Nr. 62)
- kirchliches Engagement für und mit Migranten als Teil der Tradition und des heutigen Lehramts (Nr. 75)
- Anerkennung der „movimientos populares“ (der Sozialen Bewegungen) als Selbstorganisation der Armen im Kontext der Ordensgeschichte (Nr. 80, 81)
- derzeitiger Epochenwechsel, der die kontinuierliche Interaktion zwischen Getauften und Lehramt, zwischen Bürgern und Experten, zwischen Volk und Institutionen heute noch notwendiger macht – sprich Synodalität und Teilhabe (Nr. 82)
- soziale Funktion des Eigentums gemäß Gaudium et spes (Nr. 86)
- Aufgreifen der Umwelt- und Sozialenzyklika Laudato si’ von Franziskus (Nr. 95,96)
- von Franziskus neben dem Lehramt erwähnte Stellungnahmen der nationalen und regionalen Bischofskonferenzen – sprich Regionalisierung und Vielfalt (Nr. 89)
- Gemeinwohlorientierung von Religion, was auch das Handeln „christlicher Parteien“ in Frage stellt (Nr. 112)
- Schlussgedanke: Die „Kirche, die die Welt heute braucht“, ist eine „Kirche, die der Liebe keine Grenzen setzt, die keine zu bekämpfenden Feinde kennt, sondern nur Männer und Frauen, die es zu lieben gilt“ (Nr. 120)
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Zuletzt geändert am 09.10.2025