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Veröffentlicht am 22­.05.2007

Die Gottesfrage – Ist der christliche Glaube ein Monotheismus

Anlässlich der Augsburger Diözesanversammlung 2007 hielt Prof. DDr. Gotthold Hasenhüttl einen Vortrag zu diesem Thema vor nahezu 100 Besuchern.
Eine Zusammenfassung von Herbert Tyroller:

Ereignis, Erfahrung, Wahrheit
Ein Ereignis erschließt uns Neues – es rüttelt uns auf und lenkt unsere Aufmerksamkeit auf sich. Die Bibel spricht vom »Kairos«, der uns zur Entscheidung zwingt. Sören Kierkegaard: „Der Augenblick ist der Berührungspunkt zwischen Zeitlichkeit und Ewigkeit.“ Wären Ereignisse nicht auf unsere Existenz bezogen, verlören sie ihren Sinn. Friedrich Nietzsche: „Nicht die lautesten, sondern die stillen Stunden sind die größten Ereignisse.“ Ereignis ist Begegnung und geschieht als Beziehung. Goethe (Faust): „Das Unzulängliche, hier wird’s Ereignis; das Unbeschreibliche, hier ist’s getan“. Im Ereignis zeigt sich die Wahrheit des Seins und des Menschen. Ereignis ist mit Erfahrung verbunden. Die Erfahrung ist der Ort, an dem sich die Wahrheit der Dinge enthüllt. Wer aus der Erfahrung nichts lernt, hat keine wirkliche Erfahrung gemacht, sondern nur etwas zur Kenntnis genommen. Erfahrung und Ereignis gehören zusammen. Schiller (Die Bürgschaft): Die Wahrheit der Freundschaft ist die Treue. Was sich ereignet ist nicht ein Gegenstand, sondern die Treue. Diese Treue bewirkt die Umkehr des Tyrannen. Ereignis und Erfahrung als Erschließung der Wahrheit bilden eine Einheit. Die Wahrheit entzieht sich unserem Zugriff. Wahrheit erfahre ich nicht direkt, sondern an bestimmten Gegebenheiten. Sie offenbart sich in Menschen und Dingen. Erfahrung hat einen ethischen Bezug. Erfahrung ist das Gegenteil von Wahrheitsverweigerung. Daher ist sie Liebe zur Wahrheit. Die Wahrheit als Bejahung des Menschen und der Natur ist Liebe. Erfahrung der Nächstenliebe ist das Ereignis. Durch sie werden Menschen und Dinge qualifiziert. Wenn wir von Gott sprechen, muss dieses Wort innerhalb der menschlichen Erfahrung einen Sinn haben. Thomas vom Aquin: „Jede Rede von Gott, die erfahrungslos ist, muss abgelehnt werden.“ Aber: Im Namen Gottes wird gemordet, werden heilige Kriege geführt. Es ist auch falsch, gute Taten in Gott zu begründen. Wer im Namen Gottes Toleranz übt, nimmt den Nächsten nicht ernst. Er missbraucht ihn zur Ehre Gottes. Ohne Erfahrung kann Gott nur ein bekannter Gegenstand sein, der unsere Neugier zu locken vermag, unser Leben aber nicht bestimmt. Was nicht erfahrbar ist, kann nicht bedeutungsvoll für unsere Existenz oder für die Gesellschaft sein. Gott wird dann eine Leerformel, mit der man alles anstellen und begründen kann. Gott wird zum Objekt. Ein Begriff jedoch, der alles und nichts bedeutet, ist ein sinnloser Begriff.

Gotteserfahrung
Andere Religionen schildern Gott in einer eigenen Welt mit Gattin, Kindern, Hofstaat – dagegen ist im AT Gott auf Israel bezogen; das Volk ist geliebt von Gott. Die Erfahrung Gottes wird immer neu zum Ereignis. Gottes Sein geht in die menschliche Erfahrung ein. Gott ist das Gute, das den Menschen aus seiner Beschränktheit heraushebt. Das NT lebt davon, dass Gottes Wirklichkeit erfahrbar wird. Der neutestamentliche Mensch erfährt sich als von Jesus gesucht. Jesus verkehrt mit Betrügern und Huren, er sucht Menschen dort auf, wo sie stehen. Diese zwischenmenschliche Erfahrung wird als Gotteserfahrung erlebt. Eine Erfahrung, die die Menschen in Staunen versetzt. Die Pharisäer, die Gott vergegenständlichen, sehen darin eine Gotteslästerung. Sie sind für das Geschehen selbst nicht offen, können keine Gotteserfahrung machen. Jesus will die Menschen für dieses Ereignis aufschließen. Die Nähe Gottes wird erfahrbar, wenn Menschen aufeinander zugehen. Gott ist kein Herr-Gott mehr. Uns ist alles vermittelt, was erfahrbar gemacht werden kann: Wahrheit und Liebe. Erfahrung muss konsensfähig sein, wenn sie nicht eine subjektive Behauptung oder ein subjektives Gefühl ist. Gotteserfahrung ist nur sinnvoll, wenn sie anderen plausibel gemacht werden kann, wenn ein bestimmtes Ereignis für die Wahrheit der Erfahrung steht. Aussagen von Gott können deshalb nicht aus dem zeitlichen Kontext abgelöst werden.

Trinität
Eine göttliche Person kann nicht etwas haben, was die andere nicht hat, denn dann wären es 3 Götter. Thomas von Aquin: „Das Wesen Gottes ist Beziehung.“ Die Trinitätslehre weist darauf hin, dass Gott Beziehung ist. Gott kann keine Herrschaftszüge annehmen, er erscheint als Solidarität, Gemeinschaft. Kein Zahlenwort ist auf Gott anwendbar. Gottes Sein ist Dasein beim Menschen. Weil Gott nichts für sich allein ist, sondern reine Kommunikation, sollen wir aus der Beziehung leben, die den Sinn unseres Seins erschließt. Der christliche Auftrag kann nur sein, sich von Gott bestimmen zu lassen: vom Tun der Liebe. Ein Gott, der als Begründung der Welt fungiert, scheidet als Projekt des Menschen aus. Gott füllte dann die Leere, den Mangel an Erkenntnis aus. Gott wäre damit ein Lückenbüßer. Wo machen wir Menschen Heilserfahrungen, die qualitativ nicht überbietbar sind? Nicht in uns selbst, nur in der Begegnung mit dem Du. Die menschliche Person kommt durch das Du zur Selbsterfahrung. Angewiesenheit auf das Du ist für die menschliche Person konstitutiv. Die Erfahrung der anderen Person ist eine Erfahrung der Fülle, die meine Person einfordert und ist niemals auf den Einzelnen begrenzbar. Ohne ein Minimum an Liebe ist gesellschaftliches Zusammenleben nicht möglich. Liebe wird gegenwärtig, wo Menschen aufatmen. Wo sich Liebe ereignet, erfahren wir Gott. Im biblischen Denken ist Gott Liebe, die einzige Definition Gottes. Liebe hat man nicht, besitzt man nicht, sondern wird erfahren (vgl. das Tun des Samariters). Das Ereignis der Liebe ist nicht reduzierbar, sie kann nicht abgelöst und in Wissensinhalte zerlegt werden. Der christliche Glaube überschreitet alle theistischen Formeln. Theismen vergegenständlichen Gott zu einem objektiven Wesen. Nach christlichem Verständnis ist Gott Liebe und sonst nichts.

Zuletzt geändert am 22­.05.2007