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Veröffentlicht am 14­.06.2010

14. Juni 2010

Kirche, Blogger und der "Barbara Steisand-Effekt"

Eben ging es noch um das "unter den Teppich kehren" von Datenskandalen. Aber auch andere Skandale möchten manche gerne totschweigen. Die katholische Kirche beispielsweise - genauer gesagt, das Bistum Regensburg – versucht offenbar, einige Blogger zum Schweigen bringen.

Worum geht es? Die Blogger berichten darüber, dass die Diözese Regensburg gegen den "Spiegel" und die Website regensburg-digital.de vorgegangen ist. Das Nachrichtenmagazin und die Website hatten über den Fall eines Pfarrers berichtet, der sich 1999 an zwei Kindern vergriffen hatte. Die Geschwisterkinder und die Eltern sollten aber keine Anzeige erstatten und Stillschweigen bewahren. Vom Pfarrer bekamen sie eine Art Schmerzensgeld, mehrere Tausend Mark.

Neben dem Begriff Schmerzensgeld verwendeten sie allerdings noch eine andere Formulierung. Und dagegen ging die Kirche vor. Sie ließ die Formulierung per einstweiliger Verfügung verbieten. In derWebschau haben wir schon einmal über das Thema berichtet. Neu ist jetzt, dass auch Blogger abgemahnt werden, die über den Streit zwischen "Spiegel", Regensburg Digital und der Diözese berichten. Das hat auch der Medienjournalist Stefan Niggemeier getan. Er habe sich in seinem Blogeintrag mit dem Titel "Wie die Kirche Leute zum Schweigen bringt" nicht von den verbotenen Passagen distanziert, die er aus dem "Spiegel" zitiert.

Niggemeier entgegnet jetzt in einem neuen Blogeintrag, dass er sich die Formulierungen nicht zu eigen gemacht habe. Die Unterlassungserklärung, die ihm ins Haus geflattert ist, habe er nicht unterschrieben. Thema seines Beitrags sei nicht das Verhalten der Kirche damals, sondern ihr Umgang mit Kritikern und Berichterstattern heute. "So umfassend ist also das Schweigen, dass das Bistum Regensburg gerichtlich erzwingen will. Es geht ihr offenkundig nicht nur um eine (richtige oder falsche) Aufbereitung der Ereignisse von 1999. Es geht ihr offenkundig darum, das Thema insgesamt aus der Öffentlichkeit herauszuklagen."

Offenbar mit wenig Erfolg. Viele Blogs berichten über die Vorgänge und viele wiederholen dabei genau die Aussage, die das Bistum dem "Spiegel" und Regensburg Digital verboten hat. Und dabei verlinken sie gerne auf Wikipedia, auf den Artikel über den Streisand-Effekt.

Aus dem Eintrag: "Seinen Namen verdankt der Effekt Barbra Streisand, die den Fotografen Kenneth Adelman und die Website Pictopia.com 2003 auf 50 Millionen US-Dollar verklagte, weil eine Luftaufnahme ihres Hauses zwischen 12.000 anderen Fotos von der Küste Kaliforniens zu finden war." Das Problem: Erst durch die Klage machte das Foto die Runde. Seither heißt dieses Internet-Phänomen "Streisand-Effekt".

Der Versuch, Informationen zu entfernen oder zu unterdrücken, kann also dazu führen, dass sie erst recht und noch stärker verbreitet werden. In Suchmaschinen lässt sich jetzt verfolgen, wie viele Artikel in den nächsten Stunden dazukommen, die genau die Behauptung wiederholen, die die Kirche verbieten wollte.

Zuletzt geändert am 14­.06.2010