| |
Veröffentlicht am 09­.10.2010

9.10.2010 - Domradio

Zwischen Mut und Aufbruch

Kardinal Lehmann(, Erzbischof Marx) und Alois Glück zu Lage und Zukunft der Kirche

Zwei Veranstaltungen, ein Thema: Am Wochenende haben sich der ehemalige Bischofskonferenzvorsitzende und der ZdK-Vorsitzende zur Lage der katholischen Kirche geäußert. Alois Glück sieht die Zeit gekommen, „den Weg zu einem neuen Aufbruch„ einzuschlagen. Kardinal Lehmann ruft zu „neuem Mut zum Kirche sein“ auf.

Katholiken sollten der Kirche auch angesichts von Enttäuschungen und Skandalen treu bleiben, „weil diese nicht nur eine menschliche Institution, sondern die Kirche Gottes, des Herrn ist“, appellierte Lehmann am Freitagabend in Mainz zur Eröffnung der zweitätigen Diözesanversammlung in seinem Bistum. Ein Grund für Traurigkeit und Frustration an der Kirche sei, dass es so wenig bleibende und tiefgreifende Kirchenreform gebe, so der Bischof. Eine solche sei aber nur möglich, „wenn sie beständig und gegen alle Schwierigkeiten aus spirituellen Wurzeln genährt“ werde.

Der Kardinal wörtlich: „Jeder, der in der Nachfolge des Herrn steht und schmerzlich die Wirklichkeit der Kirche erfährt, kennt diese Zerreißprobe; an ihr ist nicht vorbeizukommen. Darum gibt es bei aller Identifikation mit der Kirche diese Elemente schmerzlichen Zerrissenseins und der Nicht-Identität. Wer nicht bereit ist, diesen Grundkonflikt des Glaubens auszutragen, beweist am Ende nur, dass er die runde Identität seines Ichs wichtiger nimmt als die ihm bestimmte Sendung.“

Marx drängt auf Gesprächs- und Erneuerungsprozess in der Kirche

Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx hat sich nachdrücklich dafür ausgesprochen, in der Kirche einen offenen Gesprächs- und Erneuerungsprozess zu beginnen. „Es ist sehr an der Zeit, den Raum des Gesprächs zu öffnen und nicht alles gleich mit dem Stichwort Reizthema zu versehen“, sagte Marx am Freitagabend in Freising bei der Herbstvollversammlung des Diözesanrats des Erzbistums München und Freising.

Die Ereignisse dieses Jahres machten einen Dialogprozess notwendig, so Marx. Er habe aber eines gelernt in diesem Jahr: „Wir dürfen den Platz nicht räumen, uns nicht in eine Nische begeben oder uns nicht mehr zu Wort melden. Das können wir uns nicht leisten. Wer soll das Evangelium verkünden, wenn wir das nicht tun?“ Nun gehe es darum, offen zu den eigenen Fehlern zu stehen, aber nicht zu weichen. Der Gesprächsprozess müsse vor Ort, aber auch auf Bundesebene stattfinden, sagte der Erzbischof.

Glück: Einen neuen Aufbruch wagen

Alois Glück, der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), hat die Kirche in Deutschland aufgerufen, mutig und entschieden den „Weg zu einem neuen Aufbruch“ einzuschlagen. Die kommenden sechs bis zehn Monaten würden seiner Einschätzung nach entscheidend für einen wahren Dialog sein, sagte Glück am Samstag bei der Tagung „Das Miteinander definieren - Priester und Laien in der Krise“ in der Katholischen Akademie in Berlin. In den nächsten Wochen werde sich konkretisieren, wie die Bischöfe ihre bei der Herbstversammlung in Fulda angekündigte Dialoginitiative umsetzen wollen. Er sei vorsichtig optimistisch.

Erschrocken zeigte sich Glück darüber, wie tief der Ansehens- und Vertrauensverlust aufgrund der vor allem durch den Missbrauchsskandal ausgelösten Krise auch in die Kirche hinein wirke. Zugleich sehe er aber positiv, dass selbst distanzierten Menschen die Lage der Kirche nicht gleichgültig sei und sie diese zumindest als gesellschaftlich relevante Werteinstanz gewahrt sehen wollten.

Der neue Aufbruch der Kirche kann nach den Worten des ZdK-Präsidenten nur darin bestehen, „dass sie hingeht zu den Menschen und nicht wartet, dass die Menschen zu ihr kommen“. Er teile nicht die Auffassung jener, die in einem „Gesundschrumpfen“ die Chance für die Kirche sehen. Ebenso stimme er nicht der Auffassung zu, dass eine Ursache für die heutige Krisenlage im Zweiten Vatikanischen Konzil zu suchen sei. Ohne die Aufbrüche des Konzils, so Glück, wäre die Kirche heute wohl „eine Sekte“.

Problematisch für die Kirche sei nicht, dass es in ihr viele Strömungen gebe, sagte Glück. Schwierigkeiten entstünden aber dann, wenn eine dieser Strömungen einen Alleingeltungsanspruch erhebe. Ziel des angekündigten neuen Dialogs müsse es daher sein, „Einheit in Vielfalt“ auszubalancieren und zu akzeptieren. Dies gelt auf nationaler wie auf weltkirchlicher Ebene.

http://www.domradio.de/aktuell/68230/zwischen-mut-und-aufbruch.html

Zuletzt geändert am 16­.10.2010