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Veröffentlicht am 12­.09.2014

12.9.2014 - Südkurier online

Weniger muss nicht weniger sein

Die katholische Kirche will steigenden Austrittszahlen trotzen. Kardinal Reinhard Marx sagt: „Sie drücken mich nicht nieder“

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat sich trotz steigender Austrittszahlen optimistisch zur Zukunft der katholischen Kirche geäußert. Die Austritte müsse er akzeptieren, „aber sie drücken mich nicht nieder“, sagte der Münchner Erzbischof in Magdeburg zum Auftakt des vierten Gesprächsforums der katholischen Bischöfe. Dabei soll unter anderem erörtert werden, „wie wir eine missionarische Kirche werden“, wie Marx betonte. An dem zweitägigen Treffen nehmen 300 Vertreter aus den 27 Diözesen teil, darunter 29 Bischöfe.

Die Reformbewegung „Wir sind Kirche“ kritisierte die Dialogreihe als „Insider-Prozess“, der unter vollkommener Kontrolle der Bischöfe stehe. Bei den Teilnehmern handele es sich vor allem um beruflich in der Kirche engagierte Mitarbeiter, sagte Christian Weisner, einer der Sprecher von „Wir sind Kirche“. Zudem seien sie von den Bischöfen ausgewählt worden. Es seien zu wenig kritische Menschen in dieser Versammlung, meint er.

Nicht nur leere Kirchen

Die Bischöfe hatten die auf fünf Jahre angelegte Dialogreihe 2010 ins Leben gerufen, um nach dem Missbrauchsskandal Glaubwürdigkeit und Vertrauen zurückzugewinnen. „Wir müssen uns neu auf den Weg machen in die Welt, wenn wir schwächeln“, betonte Marx. In Magdeburg komme es vor allem auf die Frage an, wie das Zeugnis des Glaubens „nach draußen“ getragen werden kann. Es bestünden sehr viele lebendige, kraftvolle Gemeinden. „Wir haben nicht nur leere Kirchen“, betonte der Kardinal in Magdeburg.
Die Zahl der Kirchenaustritte in Deutschland war in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Als Hauptgrund gilt eine Änderung im Steuerrecht. Die Kirchensteuer auf Kapitalerträge wird ab 2015 automatisch durch die Banken eingezogen. Entsprechende Hinweise der Geldinstitute in Deutschland hatten zu Irritationen geführt. Bei der Änderung handelt es sich aber nicht um eine neue Steuer. Bereits im vergangenen Jahr waren knapp 180 000 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten – mehr als in den Jahren zuvor. Das hatte viele Verantwortliche irritiert.
Wie Marx weiter sagte, werde der Gesprächsprozess „nicht folgenlos“ bleiben. Bisher gebe es zwar kein fertiges Ergebnis. Es würden aber Fragen gestellt, „die uns hier bewegen und die wir nach Rom weitergeben werden“. Auch Fragen von Ehe, Familie, Sexualität und der Beziehungsfähigkeit von Menschen sollen bei dem Treffen thematisiert werden. Der Kardinal bekannte sich zudem zur Ökumene: „Wie sollten wir in einer säkularen Gesellschaft von Gott reden können, wenn wir uns nicht ökumenisch verzahnen?“
„Wir sind Kirche“ appellierte an die Bischöfe und Teilnehmer, endlich zu konkreten Entscheidungen zu kommen, sagte dagegen Weisner. Als Beispiel nannte er den Umgang mit Katholiken nach einer Scheidung und Wiederverheiratung. „Nicht nur reden und zuhören, sondern Handeln ist angesagt“, fügte der Sprecher hinzu. Die wichtigste Frage sei, wie die Kirche „von einem Verbotsmodus in einen Vorwärtsgang schalten kann“. Die Reformgruppe hatte sich bislang zu jedem Treffen mit einem offenen Brief an die Teilnehmer gewandt, um ihre Anliegen hörbar zu machen.
Das Magdeburger Treffen steht unter dem Motto „Ich bin eine Mission“, ein Zitat aus dem Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“ von Papst Franziskus. Teilnehmer sind neben den Bischöfen Vertreter des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, kirchlicher Bewegungen und geistlicher Gemeinschaften, der Caritas sowie der katholisch-theologischen Fakultäten. (epd)

http://www.suedkurier.de/nachrichten/politik/themensk/Weniger-muss-nicht-weniger-sein;art1015367,7244862

Zuletzt geändert am 19­.09.2014