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Veröffentlicht am 14­.09.2014

14.9.2014 - wochenblatt.de

Wind of Change in der katholischen Kirche: Bald keine Diskriminierung mehr?

Es könnte eine Sensation werden, die in ihren Auswirkungen so tiefgreifend ist wie das Zweite Vatikanische Konzil: Wenn zwischen 5. und 19. Oktober die Bischöfe zur außerordentlichen Generalversammlung im Vatikan zusammen kommen, könnte die Diskriminierung Homosexueller, aber auch die Ausgrenzung geschiedener Wiederverheirateter Geschichte sein.

Es sind Zeichen des Aufbruchs, auch wenn ausgerechnet der mächtige Glaubenspräfekt Gerhard Ludwig Müller bereits einschränkte: Eine Neubewertung von Homosexualität und dem Sakrament der Ehe werde es nicht geben, sagte Müller in einem Interview (wir berichteten). Doch nun das: In Magdeburg haben sich die deutschen Bischöfe beraten, mit welchen Erwartungen sie in die außeraordentliche Synode in Rom im Oktober gehen werden – das Ergebnis könnte einen fundamentalen Paradigmenwechsel einläuten.

Die Kirchen in Deutschland werden als sogenannte Tendenzunternehmen von der Einhaltung etwa der Anti-Diskriminierungs-Richtlinie befreit. Auch in Regensburg sind Fälle bekannt, wo etwa eine lesbische Pflegerin aus einem kirchlichen Krankenhaus entlassen wurde, weil sie ihre Partnerin in einer eingetragenen Partnerschaft ehelichte. Auch wenn Mitarbeiter kirchlicher Betriebe sich scheiden lassen und wieder heiraten, hat das Konsequenzen – unehelich geborene Kinder bringen regelmäßig Lehrerinnen in Erklärungsnöte. Denn die beiden Kirchen sind nicht nur deutschlandweit die größten Arbeitgeber, in der Region Regensburg haben sie in vielen Bereichen ein Monopol, beispielsweise bei der Betreuung von Menschen mit Behinderung.

Seit langem ist bekannt, dass kirchliche Krankenhäuser, Altenheime und Einrichtungen seit langem deshalb ein Problem haben, Personal zu finden. Deshalb beschäftigt sich ein Gremium der Deutschen Bischofskonferenz seit langem damit, dass man die Arbeitsrichtlinien kirchlicher Betriebe lockern will.

In Magdeburg kam jetzt ein Zeichen: „Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel in unserer Kirche, den wir nur erahnen können gerade mit Blick auf eine immer stärker werdende säkulare Gesellschaft“, sagte der Münchner Kardinal und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx.

Marx sprach gegenüber Medienvertretern an, dass die Mehrheit der deutschen Bischöfe in jene Richtung tendiere, die von Kardinal Walter Kasper im Rahmen des Konsistoriums in einem Referat vor der Kurie angesprochen wurde – Kasper hatte sich für einen barmherzigeren Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten ausgesprochen. „Weiter kündigte Marx an, dass die Bischöfe für eine Liberalisierung des kirchlichen Arbeitsrechts in Deutschland offen seien. Bereits jetzt gebe es keinen Kündigungsautomatismus für kirchliche Mitarbeiter, wenn sie etwa in homosexuellen Partnerschaften oder in einer zweiten Zivilehe lebten“, zitiert das Hamburger Abendblatt den Kardinal.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, hob hervor, dass das Gesprächsforum in Magdeburg deutlich gemacht habe, dass die Kirche den von Papst Franziskus eingeschlagenen Weg hin zu einer hörenden und dienenden Kirche weiter gehen muss, wenn sie den Menschen ihre Botschaft verständlich zugänglich machen will: „Unsere Kirche wird weitgehend immer noch als eine Institution mit Machtanspruch und mit einer Tendenz zur Bevormundung der Menschen wahrgenommen“, so Glück. „In diesem Dialogprozess wurde aber deutlich, wie stark die Botschaft von Papst Franziskus für eine hörende und dienende Kirche wirksam wird. Das ist ein wichtiger Schritt im notwendigen Abschied von einer Kirche, die zu sehr um sich selbst kreist. Im Mittelpunkt aller Gespräche in Magdeburg stand die Frage, wie wir aus diesem neuen Geist heraus den Menschen von heute die Botschaft des Evangeliums zugänglich machen können.“ Für die Rolle und Aufgabe der Kirche in der Gesellschaft bedeutet dies nach Überzeugung des ZdK-Präsidenten auch, den Wandel vom Anspruch der Dominanz früherer Zeiten hin zur Bereitschaft zum Dienst in einer offenen Gesellschaft zu akzeptieren und zu gestalten.

Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche begrüßt, dass die deutschen Bischöfe ein Mehrheitsvotum für einen neuen Umgang mit nach Scheidung Wiederverheirateten bei der Familien-Synode 2014/2015 in Rom vorgelegen wollen. „Diese Ankündigung darf aber nicht vage bleiben, denn diesbezügliche Regelungen sind ein wesentlicher Lackmus-Test für den Erfolg des deutschen Gesprächsprozesses wie auch für die weltweite Familien-Synode in Rom. Nur eine baldige, überzeugende und am Menschen orientierte Reform wird dazu beitragen können, die seit Langem bestehende eklatante Kluft zwischen der tradierten kirchlichen Lehre und der Lebenswirklichkeit der gläubigen Katholikinnen und Katholiken in der Sexualmoral zu überbrücken“, hieß es dazu in einer Erklärung.

http://www.wochenblatt.de/nachrichten/regensburg/regionales/Wind-of-Change-in-der-katholischen-Kirche-Bald-keine-Diskriminierung-mehr-;art1172,263841

Zuletzt geändert am 14­.09.2014