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Veröffentlicht am 19­.07.2014

19.7.2014 - Frankfurter Neue Presse

„Wir müssen uns stellen“

Von Carolin Eckenfels (dpa)

86 Seiten ist der Finanzbericht stark, der gestern in einer Pressekonferenz vorgestellt wurde. Mit diesem laut Diözese „wichtigen Schritt zur größtmöglichen Transparenz in Finanzangelegenheiten“ hofft sie, das Vertrauen der Gläubigen zurückgewinnen zu können.

Nach dem Finanzskandal um den früheren Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst lässt sich das krisengeschüttelte Bistum in die Bücher schauen und legt sein Vermögen offen – das ist eine Premiere. Demnach beträgt die Bilanzsumme des Bistums rund 909 Millionen Euro. Aber: „Das wichtigste Kapital der Kirche ist das Vertrauen der Menschen“, sagte Pfarrer Wolfgang Rösch von der Bistumsleitung.

Dass viele Gläubige genau das allem Anschein nach verloren haben, zeigen die aktuellen Kirchenaustrittszahlen: Im vergangenen Jahr kehrte eine Rekordzahl von fast 8000 Menschen dem Bistum den Rücken, rund 3500 mehr als 2012. Die neue Transparenz soll nun Vertrauen schaffen.

Die Diözese veröffentlichte nicht nur für das Bistum die Zahlen zu Vermögen und finanziellen Verpflichtungen, sondern auch für das Domkapitel, den Bischöflichen Stuhl und eine Schulstiftung, die alle als eigenständige Körperschaften gelten.

Der Finanzbericht umfasst 86 Seiten und listet die verschiedenen Vermögenswerte und Erträge auf. Der allergrößte Teil der Bistums-Bilanz ist nach Angaben von Finanzdezernent Gordon Sobbeck in Anlagevermögen gebunden. Dazu zählen Gebäude, Pensionsfonds oder die Beteiligung an einer sozialen Wohnungsgesellschaft.

Die Bilanz des Bischöflichen Stuhls weist nach vorläufigen Zahlen rund 92 Millionen Euro aus. Das Domkapitel kommt auf 4,4 und die Stiftung auf 31 Millionen Euro.

Der Bischöfliche Stuhl war im Zusammenhang mit der Kostenexplosion an der neuen Residenz in die Schlagzeilen geraten. Zu seinen Verbindlichkeiten gehören auch Darlehen für den mehr als 30 Millionen Euro teuren Bischofssitz. Als Konsequenz auf die Kostenexplosion und wegen heftiger Kritik an seiner Amtsführung hatte der Papst Tebartz-van Elst als Limburger Bischof abberufen.

Die Zahl der Kirchenaustritte stehe mit den Ereignissen um Bischof und Residenz im Zusammenhang, sagte Rösch. Das Thema Kirche und Geld sei viel sensibler, als man sich vielleicht vormachen wollte. Die Kirche werde zu Recht an einem höheren moralischen Maßstab gemessen als Aktienunternehmen. „Wir müssen uns dem stellen.“ Negativer Tebartz-Effekt

„Der negative Tebartz-Effekt im zweiten Halbjahr 2013 hat alle positiven Franziskus-Effekte und Bemühungen dialogbereiter Bischöfe zunichtegemacht“, sagte Christian Weisner von der Laien-Initiative „Wir sind Kirche“.

Nun gibt es schon die ersten Reaktionen auf den Finanzbericht. Katholikenvertreterin Ingeborg Schillai, die Präsidentin der Limburger Diözesanversammlung, nannte die Veröffentlichung der Finanzen richtig und wichtig. „Der Weg der Aufarbeitung, der begonnen wurde, wird sichtbar fortgesetzt.“

Der Frankfurter Pfarrer Werner Otto nannte die umfassende Offenlegung der Daten alternativlos. „Am Fall Tebartz-van Elst kann man sehen, wie Verschleierung von Vermögen und Ausgaben, aber auch dubiose Entscheidungsstrukturen und fehlende Kontrollen den Missbrauch von Macht begünstigen“, erklärte Otto, der Sprecher eines kritischen Kreises von Priestern im Bistum ist.

Mit der Veröffentlichung setze „Limburg Standards“, sagt der Kirchenrechtler Thomas Schüller von der Uni Münster. Er war früher in der Limburger Diözese tätig, die „Causa Tebartz“ hatte er mehrfach kritisch kommentiert. Nun sagt Schüller: „Die Offenlegung der Finanzen ist ein Punkt, um Vertrauen in die Kirche zu gewinnen.“ Die Menschen könnten sehen, dass die Kirche nicht einfach reich sei, sondern für wen, für welche Not, für welche Zwecke die Vermögenserträge verwendet würden. Er gehe davon aus, dass andere Bistümer nachziehen oder bereits daran arbeiten.

http://www.fnp.de/rhein-main/Wir-muessen-uns-stellen;art801,945983

Zuletzt geändert am 21­.07.2014