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Veröffentlicht am 24­.03.2014

24.3.2014 - KNA

Bischofskonferenz startet Forschungsprojekt zum Missbrauch

Bonn (KNA) Die katholischen Bischöfe nehmen einen neuen Anlauf bei der wissenschaftlichen Erforschung sexuellen Missbrauchs in der Kirche. Sie beauftragten einen Forschungsverbund aus sieben Professoren um den Mannheimer Psychiater Harald Dreßing mit der Aufarbeitung des im Jahr 2010 bekannt gewordenen Missbrauchsskandals, wie der Missbrauchsbeauftragte der Konferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, am Montag in Bonn mitteilte. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes Wilhelm Rörig, sprach von einem Meilenstein. Wie Vertreter der Opfer kritisierte er zugleich, dass die Opfer zu wenig beteiligt worden seien.Neben Dreßing, der die Forensische Psychiatrie am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim leitet, gehören dem Projekt unter anderem der Direktor des Instituts für Kriminologie der Universität Heidelberg, Dieter Dölling, und der Leiter des Instituts für Gerontologie der Universität Heidelberg, Andreas Kruse, an. Ein Beirat aus Opfer-Vertretern, Wissenschaftlern und Kirchenvertretern soll das Projekt begleiten. Ackermann betonte, die Kirche wolle "eine ehrliche Aufklärung. Die Opfer haben ein Recht darauf." Dreßing versicherte, das Projekt werde völlig unabhängig und nach streng wissenschaftlichen Kriterien durchgeführt. Dazu sollten nicht nur Kirchenakten ausgewertet werden, sondern auch externe Quellen wie Strafrechtsakten. Er räumte ein, dass es keine zahlenmäßig vollständige Auslistung der Missbrauchstäter in der Kirche seit 1945 geben könne, sondern lediglich Hochrechnungen. Dazu seien - wie im Kirchenrecht, aber in anderen Bereichen vorgesehen - zu viele Akten vernichtet worden. "Das Problem des Missbrauchs ist aber auch nicht auf Zahlen zu reduzieren", so der Wissenschaftler. Anfang 2013 hatten die Bischöfe die Zusammenarbeit mit dem Hannoveraner Kriminologen Christian Pfeiffer (70) aufgekündigt. Grund waren unterschiedliche Vorstellungen über den Datenschutz und den im Kirchenrecht vorgesehenen Umgang mit Akten. Wesentliche Ziele des auf dreieinhalb Jahre angelegten Projekts "Sexueller Missbrauch an Minderjährigen durch katholische Priester, Diakone und männliche Ordensangehörige im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz" sind laut Ackermann neben einer Schätzung der Missbrauchsvorfälle die Erforschung von Täterstrategien, Opfererleben und des Verhaltens der Verantwortlichen in der Kirche. Außerdem soll es eine Zusammenführung bereits vorliegender nationaler und internationaler Studienergebnisse mit den neuen Erkenntnissen geben. Der Sprecher der Betroffeneninitiative Eckiger Tisch, Matthias Katsch, kritisierte, die Kirche habe erneut die Chance verpasst, die Betroffenen einzubeziehen. Es habe in den Vorbereitungen nicht einmal den Versuch gegeben, auf Betroffenenvertreter zuzugehen. Ackermann sagte dazu, die Perspektiven der Opfer seien bereits bei der Gestaltung des Pfeiffer-Projekts berücksichtigt und auf das neue Forschungsprojekt übertragen worden. Dreßing erklärte, fester Bestandteil des Projekts solle der Austausch mit Betroffenen des Missbrauchs sein. Sie seien die eigentlichen Experten. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes Wilhelm Rörig, begrüßte die Initiative als Meilenstein. Zudem sei das Vorhaben ein wichtiges Signal an die Politik auf Bundesebene, eine umfassende und unabhängige Aufarbeitung von Missbrauch auf den Weg zu bringen. Zugleich betonte Rörig, es sei schade, dass die Betroffenen bisher nicht stärker einbezogen worden seien. "Es wäre schön gewesen, wenn eine Rückkopplung bereits im Vorfeld stattgefunden hätte", so der Missbrauchsbeauftragte. Die Initiative "Wir sind Kirche" begrüßte, dass das Forschungsprojekt interdisziplinär angelegt sei. Es gebe aber "nach wie vor erhebliche methodische Zweifel", ob ein von der Kirche selber finanziertes Forschungsvorhaben in der Lage sei, "grundlegende Ursachen herauszufiltern, die sich aus der hierarchischen und zölibatären Struktur der römisch-katholischen Kirche ergeben".

Zuletzt geändert am 24­.03.2014