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Veröffentlicht am 13­.03.2014

13.3.2014 - Badische Zeitung

Er will der Kirche Gehör verschaffen

Machtbewusster Reinhard Marx erst im vierten Anlauf gewählt.

Es ist kurz nach elf, als sich am Mittwoch die Pforten des Priesterseminars Borromaeum in Münster öffnen, dem Tagungsort der Frühjahrsvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz. Gerade ist das Glockenspiel des nahegelegenen Doms verklungen. Die Augen und Kameras der vor dem Eingang des Seminars wartenden Journalisten richten sich auf den Erzbischof von München und Freising, Reinhard Kardinal Marx, der draußen auf dem Hof sein erstes öffentliches Statement als frischgebackener Vorsitzender der Bischofskonferenz abgibt. Neben ihm steht sein Vorgänger, der emeritierte Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch, der an diesem Morgen einen geradezu gelösten Eindruck macht.

"Es ist eine neue und große Herausforderung, die da auf mich zukommt", sagt Marx. "Wir müssen uns bemühen, die Kirche in Deutschland glaubwürdig und authentisch zu einer Stimme zu machen, die in diesem Land Gehör findet." Es könne von Vorteil sein, wenn ein Vorsitzender so eine lange Reise durch das katholische Deutschland gemacht und Erfahrungen gesammelt habe. "Der Vorsitzende der Bischofskonferenz ist nicht der Papst von Deutschland."

In seiner kurzen Rede betont der Kardinal seine Nähe zu Papst Franziskus: "Was der Papst in seinem Evangelii Gaudium verkündet hat, ist ein guter Orientierungsrahmen für die Kirche in Deutschland." Konfrontiert mit der Frage über die Zukunft des umstrittenen Limburger Bischofs Franz-Peter Tebartz van Elst, äußert sich Marx zurückhaltend. "Ich kenne den Bericht der Untersuchungskommission nicht. Man muss daher erst einmal die Ergebnisse abwarten."

Mit Reinhard Marx steht nun einer der wichtigsten und einflussreichsten deutschen Kirchenmänner an der Spitze der Deutschen Bischofskonferenz; ein Mann, der über ausgezeichnete Kontakte in den Vatikan verfügt. Seit dem vergangenen Jahr gehört der als machtbewusst geltende Erzbischof einem von Papst Franziskus eingesetzten Kardinalsgremium an, das die Kurie reformieren soll. Marx sitzt außerdem der Kommission der europäischen Bischofskonferenzen vor. 2007 wurde er vom damaligen Papst Benedikt zum Erzbischof von München und Freising, 2010 zum Kardinal ernannt.

Bereits vor der Wahl war Marx als heißer Kandidat für die Zollitsch-Nachfolge gehandelt worden. Allerdings wurde darüber spekuliert, ob die zahlreichen Ämter des gebürtigen Westfalen dessen Chancen auf den Vorsitz schmälern könnten. Und in der Tat: Erst im vierten Durchgang konnten sich die 66 wahlberechtigten Diözesan- und Weihbischöfe auf den 60-Jährigen einigen. Hierfür reichte eine einfache Mehrheit der Stimmen. In den ersten beiden Wahlgängen, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit erfordert hätten, konnte sich Marx noch nicht durchsetzen.

Lobende Worte für den Vorgänger

"Man muss kein Jäger und Sammler von Posten sein", entgegnet Marx nach der Wahl seinen Kritikern. "Man kann auch andere Menschen in Entscheidungen miteinbeziehen. Darüber werde ich mir in den nächsten Tagen Gedanken machen." Lobende Worte fand Marx für seinen Vorgänger Robert Zollitsch: "Seine nüchterne Hoffnung, die er in dieser schwierigen Zeit verbreitet hat, hat uns als Kirche sehr gut getan." Der von ihm auf den Weg gebrachte Dialogprozess sei "ein positives Vermächtnis", das nicht im Sand verlaufen werde.

Der Freiburger Theologe Eberhard Schockenhoff begrüßte die Wahl von Kardinal Marx. "Die Bischofskonferenz hat sich nach langem Ringen für eine politische Führungsfigur entschieden, die sehr gut mit Rom vernetzt ist und die Standpunkte der Kirche offensiv vertreten wird." Marx sei einer der ersten Bischöfe in Deutschland gewesen, der sich offensiv hinter den Kurs von Papst Franziskus gestellt und sich gegen eine Bevormundung durch die Glaubenskongregation ausgesprochen habe. "Es ist zu hoffen, dass Marx viele Bischöfe hinter seinen Kurs bringt – vor allem was den neuen Umgang der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen und die Sexuallehre betrifft", sagte Schockenhoff der BZ.

Auch der Leiter der deutschsprachigen Redaktion von Radio Vatikan, Bernd Hagenkord, bewertet die Entscheidung positiv. "Reinhard Marx verkörpert wie kaum ein anderer deutscher Bischof die Nähe zu Rom." Seiner Einschätzung nach steht Marx allerdings vor schwierigen Aufgaben. "Nach den Vorfällen im Bistum Limburg geht es für die Kirche in Deutschland vor allem um die Wiederherstellung von Vertrauen und Glaubwürdigkeit."

Kritisch äußerte sich die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche": "Kardinal Marx packt unheimlich viel an. Für uns stellt sich die Frage, ob er diese Fülle von Aufgaben auch wahrnehmen kann", sagte Sprecherin Ute Heberer: "Ich würde mir wünschen, dass Kardinal Marx in Zukunft dazu bereit ist, das Gespräch auch mit Reformbewegungen zu suchen." Bislang habe er dies abgelehnt.

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Zuletzt geändert am 13­.03.2014