| |
Veröffentlicht am 12­.09.2006

13. September 2006 - Neue Zürcher Zeitung

Der Papst prangert «gottlose Wissenschaft» an

Deutlich weniger Gottesdienstbesucher in Regensburg als erwartet

Papst Benedikt XVI. hat das Verhältnis von Glaube und Naturwissenschaft zum Gegenstand seiner Predigt beim Freiluft- Gottesdienst in Regensburg gemacht. Dabei prangerte er Wissenschafter an, die die göttliche Schöpfung aus ihren Überlegungen ausblenden wollten. Über die im Bistum drückenden Probleme schwieg er sich indessen aus.

afr. Regensburg, 12. September

Am Dienstag hat sich Papst Benedikt XVI. in Regensburg in seiner Predigt gegen alle Versuche gewendet, die göttliche Schöpfung mit naturwissenschaftlichen Argumenten widerlegen zu wollen. Die Welt und die Menschen seien kein zufälliges Produkt der Evolution. «Seit der Aufklärung arbeitet ein Teil der Wissenschaft emsig daran, eine Welterklärung zu finden, in der Gott überflüssig wird», sagte er. Solche Überlegungen aber gingen nicht auf. Papst Benedikt bezeichnete den Atheismus als Irrweg und erklärte, der Glaube sei auch für den modernen Menschen existenziell notwendig. Mit diesen Worten schaltete sich der Papst in die Debatte um die Bewertung der Evolutionstheorie ein, die - ausgehend von den USA - unter Wissenschaftern und Theologen geführt wird.

Streit zwischen Amtskirche und Laien

Zum Gottesdienst auf dem Islinger Feld am Stadtrand Regensburgs, einem Acker, der in den vergangenen Monaten zur «Papstwiese» umfunktioniert worden war, waren bis zu 350 000 Personen erwartet worden. Die Organisatoren sprachen nach der Messe von 260 000 Gottesdienstbesuchern - tatsächlich waren es wohl deutlich weniger. Einige der bereitgestellten Besucherbereiche auf dem Gelände blieben nahezu leer. Bayerns Innenminister Beckstein meinte schmunzelnd, die tatsächliche Besucherzahl kenne wahrscheinlich nur der liebe Gott. Positiv fiel die Bilanz der Sicherheitskräfte aus; lediglich ein junger Mann musste vorübergehend in Gewahrsam genommen werden. Er war aus etwa hundert Metern Entfernung zum Altarhügel gestürmt, wurde aber von den Sicherheitskräften niedergerungen. Sein Motiv blieb unklar, das Landeskriminalamt sah in dem Vorfall keine ernsthafte Gefahr.

Ob der mässige Gottesdienstbesuch mit der generell etwas gedämpften Stimmung vieler Katholiken im Bistum Regensburg zu tun hat, muss indes Spekulation bleiben. Seit dem Amtsantritt von Bischof Gerhard Ludwig Müller vor knapp vier Jahren schwelt in der Diözese ein Streit zwischen der Amtskirche und Laien. So enthob Müller, ehemals Professor für Dogmatik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München, missliebige Laienfunktionäre ihrer Ämter und lieferte sich mit ihnen öffentliche Auseinandersetzungen. Schliesslich ordnete er die Laiengremien neu - Kritiker sprechen von einer faktischen Abschaffung. Auch Geistliche, die mit der Reformbewegung «Wir sind Kirche» sympathisierten, wurden scharf gemassregelt.

Enttäuschte und empörte Laien hatten nun dem Papst vor dessen Bayern-Besuch ein 17-seitiges Schreiben in den Vatikan geschickt, mit der eindringlichen Bitte, er möge Bischof Müller in Regensburg ins Gebet nehmen. Müller wiederum versuchte den Streit auf seine Art zu lösen. Zwei Tage vor der Ankunft des Papstes liess er schriftlich mitteilen, die Differenzen bezüglich der Rätereform im Bistum seien beigelegt. Die Bischofskritiker freilich widersprachen dem heftig und hofften auf ein klärendes Wort des Kirchenoberhaupts in diesen Tagen. Doch es kam nicht einmal zu Andeutungen.

Zweierlei Enttäuschte

Enttäuscht wurden auch all jene, die sich von Papst Benedikt konkrete Zeichen für einen Fortschritt in der Ökumene erwartet hatten. Zwar hatte das Oberhaupt der katholischen Kirche bei seiner Ankunft in München versichert, er wolle sich mit «Herz und Verstand» für eine Annäherung der beiden christlichen Konfessionen einsetzen. Doch bei der ökumenischen Vesper im Regensburger Dom mit Bayerns Landesbischof Johannes Friedrich blieben weitere Signale aus. Benedikt XVI. hob lediglich das gemeinsame Gottesbild hervor und rief zum Dialog auf.

Auch der Wunsch der Regensburger Fürstin Gloria von Thurn und Taxis ging nicht in Erfüllung. Zwar durfte die 46-Jährige, die gemäss dem vatikanischen Protokoll eingehüllt in einen schwarzen Spitzenschal zum Freiluft-Gottesdienst erschienen war, mit 49 anderen Auserwählten die Kommunion aus den Händen des Papstes empfangen. Doch eine Rückkehr zur alten, lateinischen Messe, wie sie es sich so sehr gewünscht hatte, wurde in Regensburg nicht vollzogen.

Zuletzt geändert am 13­.09.2006