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Veröffentlicht am 16­.03.2012

16.3.2012 - Main-Post

„Visionen für eine Kirche der Zukunft“: Podiumsdiskussion mit Bischof und Weihbischof

Der Begriff „Hierarchie“ fällt an diesem Abend ziemlich oft. Es geht um „Visionen für eine Kirche der Zukunft“, und in der Vorstellung vieler Gläubigen verlieren kirchliche Hierarchien in der Zukunft an Bedeutung. Eingeladen haben Katholische Erwachsenenbildung, Seelsorgekonferenz und Dekanatsrat. Auf dem Podium im gut gefüllten Saal des Dekanatszentrums: der Bischof, der Weihbischof, der Dekan, der Dekanatsratsvorsitzende und Vertreter der Laien. Albrecht Garsky, Leiter der Erwachsenenbildung und Initiator des Diskussionsforums, moderiert einen Abend, an dem mehrfach Klartext geredet wird.

In kurzen Statements stellen die Podiumsteilnehmer ihre Visionen vor, wobei Bischof Friedhelm Hofmann gleich abwinkt: „Eine Vision habe ich leider nicht, weil ich kein Visionär bin. Ich kann nicht in die Zukunft blicken.“ Hofmann sieht sich vielmehr als Realist, der die Probleme klar benennt: „Die katholische Kirche ist augenblicklich in der vielleicht schwierigsten Situation seit der Säkularisierung.“ 10 000 Mitglieder verliert sie im Bistum jedes Jahr: „In fünf Jahren wäre eine Stadt wie Schweinfurt weg.“

Und dann blickt er doch in die Zukunft: „Die territoriale Seelsorge wird sich nicht aufrechterhalten lassen“, sagt er. Stattdessen werde es „Biotope des Glaubens“ geben, etwa nach dem Vorbild von Münsterschwarzach oder Kreuzberg. „Wir sind nicht mehr die Volkskirche.“ Die katholische Kirche werde sich aus der Verbindung mit dem Staat lösen und – zumindest in Europa – als kleine, arme Kirche weiter bestehen, die vor allem den Menschen in Armut beistehen werde. Eben deshalb sei es wichtig, sich über den eigenen Glauben klar zu werden: „Wir müssen Entzündete sein.“ Sieglinde Schramm vom Seniorenforum ist nah am kirchlichen Alltag: Sie vermisst die Freude am Glauben – vermittelt von und in der Kirche. Es gebe zwar interessant gestaltete Jugendgottesdienste, aber nichts Vergleichbares für Senioren. „Dabei sind doch gerade die Senioren so aktiv in der Kirche.“

Dass sich weit weniger Jugendliche engagieren, erklärt sich Hannah Pfrang, Ministrantin in St. Joseph, nicht etwa mit einem Mangel an Werten, wie ihn Sieglinde Schramm angedeutet hatte: „Die Werte haben sich nur verschoben“, sagt sie. „Vielen Jugendlichen geht es um Gleichberechtigung und Toleranz. Sie können nicht verstehen, warum Homosexuelle nicht anerkannt werden und Frauen keine Priester werden können.“ Vieles werde in der Kirche auch als steif und festgefahren empfunden, anders als etwa in Taizé, wo auch Jugendliche einen Bezug zum Glauben finden könnten, die sonst nicht in die Kirche gehen. „Kirche ist eben nicht, sich hinsetzen und nur passiv zuhören“, sagt Hannah Pfrang.

Das Thema Homosexualität sorgt dann auch für einen ersten verbalen Schlagabtausch. Magnus Lux, Mitglied im Bundesteam der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ will wissen, warum Homosexuelle immer noch aus der Kirche gedrängt würden. Das könne man pauschal so nicht sagen, entgegnet der Bischof, verweist aber auf den Grundsatz der Keuschheit, den die frühen Christen im römischen Reich in Opposition zur damals allgegenwärtigen Homosexualität geprägt hätten. „Das war eine moralische Wende.“ Ob denn Homosexualität etwas Unmoralisches sei, fragt Lux, worauf sich der Bischof auf die offizielle Haltung der Kirche zurückzieht: „Ich kann den Homosexuellen akzeptieren, aber Homosexualität nicht.“

Während Dekan Reiner Fries und Weihbischof Ulrich Boom in ihren Statements eher theologische Schwerpunkte setzen, gibt Werner May, Vorsitzender des Dekanatsrats, einen weiteren Diskussionsansatz vor: Seine Vision handelt von einer Kirche, die sich grundlegend von unten her erneuert und in der die Hierarchien aufgelöst sind.

Eine Vorstellung, die nicht alle Anwesenden teilen mögen, die allerdings auch auf Beifall stößt: Das Spannungsfeld zwischen Amtskirche und Laienkompetenz wird in vielen Facetten diskutiert. Dass etwa der Pfarrer jeden Beschluss eines Pfarrgemeinderats kippen kann. Dass starre Vorschriften flexibles Handeln verhindern. Dass Texte für die lange erwartete Neuausgabe des „Gotteslob“ in Rom zur Genehmigung vorgelegt werden müssen. Bischof und Weihbischof ermutigen, bestehende Möglichkeiten der Mitbestimmung auszuschöpfen, bleiben aber fest: Wenn es um den Glauben und die Einheit geht, hat der Pfarrer das letzte Wort.

In einem Punkt werden sich dann übrigens Bischof Hofmann und Magnus Lux doch noch einig. Lux: „Es heißt, einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder und Schwestern. Dann kann ich also sagen: Bruder Bischof.“ Worauf der Bischof nickt.

http://www.mainpost.de/regional/schweinfurt/Im-Gespraech-mit-Bruder-Bischof;art742,6677796

Zuletzt geändert am 17­.03.2012