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Veröffentlicht am 26­.05.2008

26.5.2008 - WELT ONLINE

Katholikentag: Kontroversen bis zum Schluss

Von Gernot Facius

Osnabrück - Der 97. Deutsche Katholikentag in Osnabrück ist Geschichte, nun richten sich die Blicke auf den 2. Ökumenischen Kirchentag 2010 in München. In seiner Predigt während des Abschlussgottesdienstes beklagte der neue Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, vor 20 000 Teilnehmern die "Versorgungsmentalität" in der deutschen Gesellschaft. Zuvor hatte Zollitsch einen weiteren Versuch unternommen, die Kritiker des stockenden kirchlichen Reformprozesses zu besänftigen. "Es gibt keine Tabus, es gibt keine Denk- und Sprechverbote", sagte der Freiburger Erzbischof. Wegen einer fast identischen Aussage im Zusammenhang mit der Zölibatsfrage war er im Februar von mehreren Amtsbrüdern kritisiert worden. In Osnabrück erweiterte er seine Aussage: "Manches, was wie ein 'Nicht' aussieht, ist auch ein 'Noch nicht'". Zollitsch zitierte dabei den von den Nazis ermordeten Jesuiten Alfred Delp: "Wir müssen den Mut haben, Geschichte zu machen." Es gelte zu entdecken, dass Seelsorge nicht nur Aufgabe der Priester sei, sondern auch "anderer Dienste", fügte der DBK-Vorsitzende hinzu. Er erwähnte ausdrücklich auch die Mitarbeit von Seelsorgerinnen. Schon in Kürze will er ein entsprechendes Konzept vorlegen. Wichtig sei es, bei Reformen "alle Flügel" mitzunehmen. Zollitsch ließ jedoch keinen Zweifel daran: Angesichts des Priestermangels und der Tatsache, dass die Verbindung von Ehelosigkeit und Priestertum nicht fallen werde, sei die Zeit der Gemeinde "im alten Stil" vorbei. Dieser Ansicht wollen sich viele Katholiken, die nach Osnabrück gekommen waren, nicht anschließen. Sie warnten davor, Strukturen aufzugeben, die man nicht mehr zurückgewinnen werde.

Nicht zuletzt durch Zollitschs Einlassungen sieht der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Hans Joachim Meyer, den Vorwurf widerlegt, kirchliche Streitthemen seien während des viertägigen Treffens zu kurz gekommen. Osnabrück, so Meyer, sei "kein Kuschelkatholikentag" gewesen. Selbst die kritische Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" lobte die Veranstaltung als "erfrischend und jugendlich", bestand aber darauf, Reformen anzupacken. Der Münchner Erzbischof Reinhard Marx sprach von einer "Mischung aus Feier und Fest".

Am Wochenende standen noch einmal Themen der Wirtschaft auf der Agenda. Bundespräsident Horst Köhler erhielt immer wieder Beifall, wenn er seine Kritik an den Finanzmärkten, die nicht außer Kontrolle geraten dürften, wiederholte. "Beten Sie für die Wirtschaft", rief er Ordensschwestern zu. Kardinal Karl Lehmann, Zollitschs Vorgänger im Amt des Episkopatsvorsitzenden, beklagte einen "Riss" zwischen den Kirchen in bioethischen Fragen, sichtbar geworden in der Stammzellendebatte. Doch die Gespräche zwischen der DBK und der EKD gingen weiter, schon in dieser Woche. Lehmann: "Es ist an der Zeit, dass wir gegen Kleinmut und Engherzigkeit das ökumenische Feuer pflegen." Der Kardinal bot der EKD Unterstützung bei der Feier des großen Lutherjahres 2017, 500 Jahre Reformation, an. Der deutsche "Ökumenebischof" Gerhard Ludwig Müller (Regensburg) wandte sich gegen das "gefährliche Gerede von einer Eiszeit" in der Ökumene. Die Christen beider großen Konfessionen seien so tief miteinander verbunden, dass sie auch das Trennende aushalten könnten.

In Osnabrück kam auch die alte Streitfrage zur Sprache, ob Geschiedenen, die wieder geheiratet haben, die Kommunion verwehrt werden dürfe. Es wurden sogar Resolutionen formuliert, die für die Zulassung dieser Christen zur Eucharistie plädierten. Vom Kölner Weihbischof Heiner Koch, dem Organisator des Weltjugendtages, kam die Antwort: An dem entschiedenen Nein der Kirche werde sich nichts ändern. "Immer dem Zeitgeist hinterherzuhecheln wäre denkbar schlecht." Erstmals auf einem Katholikentag wurden auch sexuelle Übergriffe von Priestern thematisiert - der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke diskutierte mit einem Missbrauchsopfer. Er sprach sich gegen die kritisierte Praxis aus, auffällig gewordene Geistliche zu versetzen: Sie müssten aus dem Dienst ausscheiden.

Zuletzt geändert am 27­.05.2008