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Veröffentlicht am 26­.05.2008

26.5.2008 - LinksZeitung

Heiner Geißler: Kirchen-Reform

Katholikentag: "Das Wirtschaftssystem ist ein Monster"

Von Klaudia Ring

Osnabrück (LiZ). Eine Diskussion mit Heiner Geißler über Anstöße für die Erneuerung der Kirche in der Osnabrücker Lutherkirche hat eine illusionslose und für die offizielle Kirche wenig schmeichelhafte Analyse des real existierenden Amtskatholizismus erbracht. Der frühere CDU-Generalsekretär Geißler erteilte einer "Reform von oben" eine klare Absage: "Wir müssen den Druck von unten verstärken", denn eine Reform der Kirche sei, so Geißler, überhaupt nur noch von unten zu erreichen. Ziel sei eine Kirche, die ihre Verantwortung für die Gestaltung der sozialen Verhältnisse ernstnehme, denn Jesus habe sich permanent mit den herrschenden Machtverhältnissen seiner Zeit auseinandergesetzt.

"Die katholische Kirche fällt hier so gut wie aus", so Geißler. Dabei ergebe sich der Auftrag an die Kirche zur Kritik an der "Anarchie der Weltwirtschaft" unmittelbar aus dem Evangelium. "Das Wirtschaftssystem ist ein Monster", sagte Geißler. Doch die Kirche nehme diese Krise nicht ernst. Das sei auch die eigentliche Ursache, warum immer mehr junge Menschen die Kirche verlassen. Das Vorbild Jesu habe in der Kirche keine Bedeutung mehr: "Jesus hat in jeder zweiten Zeile des Evangeliums Krach angefangen."

"So erfrischend und jugendlich dieser Katholikentag in einem zukunftsorientierten Bistum gewesen ist, dies kann und darf nicht über den aktuellen Dialog- und Reformbedarf in der römisch- katholischen Kirche hinweg täuschen", erklärte am Ende des Osnabrücker Katholikentreffens das Bundesteam der KirchenVolksBewegung "Wir sind Kirche". Dies sei bei den sehr gut besuchten Veranstaltungen von "Wir sind Kirche" und bei vielen anderen Foren und Gesprächen dieses fünftägigen Katholikentreffens sehr deutlich spürbar gewesen.

Die von dem Papier "Kirche und Amt" der niederländischen Dominikaner angesprochenen pastoralen Fragen seien und würden angesichts des immer dramatischeren Priestermangels auch in den deutschen Bistümern virulent, sagte Sigrid Grabmeier aus Deggendorf im Bistum Regensburg. Mit einem breiten Themenangebot im Geist des Konzils und der darauf aufbauenden Theologie und pastoralen Praxis wandte sich "Wir sind Kirche" deshalb auf diesem Katholikentag gegen zunehmende Resignation, Ausgrenzungen und Klerikalisierung in der katholischen Kirche.

Die gemeinsam mit der Leserinitiative Publik e.V. vorbereitete Veranstaltung "Eingeladen – zugelassen – ausgegrenzt? Wenn die Eucharistie zum Stein des Anstoßes wird" zeigte die bestehenden engen kirchenrechtlichen Grenzen in der Frage des Eucharistieempfangs, rief aber auch dazu auf, dem Geist Gottes zu folgen, der in der Ökumene liegt. An die Initiative der Bischöfe der Oberrheinischen Kirchenprovinz aus dem Jahr 1993 erinnernd, appellierten die Teilnehmenden der Veranstaltung an die deutschen Bischöfe, sich erneut intensiv und andauernd um die Aufhebung seelsorglich nicht vertretbarer Ausgrenzungen von der Eucharistie z.B. für wiederverheiratete Geschiedene zu bemühen.

Die in das Hauptprogramm des Katholikentags aufgenommenen Veranstaltung "Aufbrüche in der Kirche – Was ist aus ihnen geworden? Zweites Vatikanisches Konzil - Katholikentag 1968 - Würzburger Synode" ermutigte, nicht auf eine Erneuerung der Kirche durch die Kirchenleitung zu warten, sondern theologisch begründete Schritte schon jetzt zu wagen und zu praktizieren. Die Teilnehmer dieser Veranstaltung unterstützten in einer Resolution die bestehenden Initiativen für ein "Pastorales Zukunftsgespräch" und forderten die deutschen Bischöfe auf, dieses Dialogangebot der Gläubigen nicht zu verweigern.

Der "Wir sind Kirche"-Gottesdienst mit erinnernder zeichenhafter Mahlfeier unter dem abgewandelten Katholikentagsmotto "Du stellst unsere Füße auf weiten Raum" (Ps 31,9) am Freitagabend in der Heilig-Geist-Kirche zeigte, dass und wie Gläubige auch in Zeiten des akuten Priestermangels Mahlgottesdienst halten können.

Die "Gespräche am Jakobsbrunnen" mit prominenten Gästen im großen "Wir sind Kirche"-Zelt auf der Kirchenmeile fanden an allen drei Tagen eine außerordentlich positive Resonanz.

Die auch in Osnabrück geführte Auseinandersetzung um die kürzlich von Rom veränderte Karfreitagsfürbitte war nur ein Beispiel dafür, dass viele innerkirchlichen Probleme und solche in der Ökumene oder im interreligiösen Dialog derzeit durch irritierende Vorgaben aus Rom verursacht werden. Um so mehr hält es die KirchenVolksBewegung für erforderlich, dass gerade auch kontroverse Themen ohne Tabus, Rede- und Denkverbote zur Sprache kommen.


Zuletzt geändert am 27­.05.2008