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Veröffentlicht am 25­.05.2008

25.5.2008 – Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Zum Gotterbarmen

Der Katholikentag liefert auch ein Indiz für den Zustand der deutschen Bistümer

VON DANIEL DECKERS

Katholiken haben gemeinhin einen Sinn für Zeiten und Orte. Als man ursprünglich beschloss, den Katholikentag des Jahres 2008 in Essen abzuhalten, galt das als eine Selbstverständlichkeit. Die Gründung des „Ruhrbistums" vor genau fünfzig Jahren und die Erinnerung an die Geburtsstunde des „kritischen" Katholizismus auf dem mittlerweile legendären „Essener Katholikentag" 1968 sollten der Stoff sein, mit dem sich die katholische Kirche in Deutschland weltoffen und farbenprächtig präsentieren wollte.

In der Tat wurde der Katholikentag des Jahres zoo8 zu einem ebenso weltoffenen wie farbenfrohen Ereignis. An der Freude am Glauben wollten sich die mehr als 35.000 Dauerteilnehmer und eine nicht viel geringere Zahl an Tagesgästen nicht übertreffen lassen. Und nicht nur das: Gottesdienste und Gebete waren besser besucht als manch ein Forum und manch eine Gesprächsrunde, in denen das Elend der Welt wortreich seziert und „Einmischung" deklamiert wurde.

Der Befund: Wenige Diözesen sind in guter Verfassung, viele in bescheidener, immer mehr in schlechter.

Allerdings fand der 97. Deutsche Katholikentag nicht in Essen statt, sondern in der niedersächsischen Bischofsstadt Osnabrück. Im Herbst zoos hatte das Bistum Essen die Einladung an das Zentralkomitee der deutschen Katholiken zurückgezogen. Man gehorchte der Not: Als Felix Genn zoo4 Bischof von Essen wurde, fand er ein Bistum vor, das seit der Gründung ein Drittel der Katholiken verloren hatte. Den finanziellen Ruin konnte Genn nur um den Preis abwehren, dass nicht nur die herkömmlichen verwaltungs-, sondern auch die vertrauten Seelsorgsstrukturen zusammenbrachen. In dieser Lage sah sich das Bistum nicht länger imstande, einen Katholikentag auszurichten.

Das Bistum Osnabrück sprang in die Bresche: Dort hatte man es schon immer etwas bescheidener angehen lassen und behutsamer gewirtschaftet. Selbst nachdem im Zuge der Neuumschreibung der Bistumsgrenzen nach der Wiedervereinigung aus dem flächenmäßig größten Bistum in Deutschland eines der kleinsten Bistümer in Westen geworden war, scharten sich Emsländer und Bremer, Ostfriesen und Osnabrücker um den neuen bodenständigen Bischof Franz Josef Bode schnell wieder zusammen. Diese Episode kennzeichnet den Zustand der katholischen Kirche in Deutschland: Wenige Diözesen sind in guter Verfassung, viele in bescheidener, immer mehr in schlechter. Und nicht immer, aber immer öfter trifft das Wort von dem Fisch, der vom Kopf her stinkt, den Sachverhalt besser, als es Bischofs-Festschriften und die Selbstbeweihräucherung der "mündigen Laien" glauben machen wollen.

Doch weil der Katholikentag in Osnabrück und nicht in Essen stattfand, war der Wille allzu verständlich, die Freude über das gute Werk nicht durch einen Blick zurück, zur Seite oder nach vorne zu trüben - dem „Himmelblau", der Farbe des Katholikentags, die Fahnen und Schlüsselbänder ebenso zierte wie Flipflops und den Blazer von Angela Merkel, wollte nicht einmal der Himmel Konkurrenz machen. So war das sonnenbeschienene Osnabrück nicht nur das Kontrastprogramm zu Essen, sondern auch zu dem unmittelbar vorangegangenen Katholikentag in Saarbrücken, der im Mai zoo6 buchstäblich ins Wasser gefallen war.

Gottesdienste waren besser besucht als manch ein Forum, in dem "Einmischung" deklamiert wurde.

Ob es jemals wieder einen Katholikentag in Essen geben wird, ist im Übrigen nicht gewiss. In Osnabrück wird nach dem Gesetz der Serie der nächste Katholikentag irgendwann um das Jahr 2115 stattfinden. Ob das Bistum nach i9oi (für Passau) und zoo8 zum dritten Mal einspringen könnte, sollte andernorts die Not groß sein, wird sich zeigen. 2010 steht der Zweite Ökumenische Kirchentag in München auf dem Programm. Für 2012 hat Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, den Katholikentag nach Mannheim eingeladen.

Zuletzt geändert am 27­.05.2008