| |
Veröffentlicht am 14­.03.2012

14.3.2012 - KNA Informationsdienst

Schwappt die Welle herüber?

Dass er mit 55 Jahren noch zum Revoluzzer wird, hätte P. Arno Jungreithmair OSB früher auch nicht von sich geglaubt. Doch als Vorstandsmitglied der österreichischen Pfarrer-Initiative gehört der Benediktiner zu jenen rund 400 Priestern und Diakonen, die seit Sommer 2011 den "Aufruf zum Ungehorsam" unterschrieben haben. Ein "Hilferuf" sei dieses Papier, "weil unsere Pfarren zugrunde gehen", sagte der Ordensmann jüngst in München bei einer Veranstaltung der "Wir sind Kirche"-Bewegung.

Als Pfarrer von Kremsmünster und Sattledt kennt Jungreithmair den seelsorglichen Alltag und ist überzeugt: "Ein stures Festhalten an den Kirchenverordnungen wird Schaden verursachen." Von den derzeit auch in vielen deutschen Diözesen eingeleiteten Strukturreformen, bei denen immer mehr Pfarreien wegen fehlender Priester zu großen Verbünden zusammengefasst werden, halten der Benediktiner und seine Mitstreiter nichts. Ihrem Gewissen folgend hoffen sie stattdessen auf tiefgreifende Veränderungen des Kirchenrechts - "in Jahrzehnten, in Jahr-hunderten". So betrachten sie bereits jetzt Wortgottesdienste mit Kommunionspendung als "priesterlose Eucharistiefeiern". Außerdem dürfen kompetent ausgebildete Laien und Religionslehrer trotz offiziellem Predigtverbot bei ihnen das Wort Gottes auslegen.

Waren es bisher vor allem Laien, die Reformen in der Kirche forderten, so ist es jetzt in Österreich ein beträchtlicher Teil des Klerus selbst. Damit habe der Protest eine "neue Qualität" erhalten, sagt der Wiener Pastoraltheologe Paul M. Zulehner, der wenige Tage zuvor als Gastreferent der Eugen-Biser-Stiftung ebenfalls in München auftrat. "Wir haben nicht einen Priestermangel, sondern einen Weihemangel", lautet seine These. Dem lasse sich aber mit theologischen Lösungen abhelfen. Der 72-jährige Pastoraltheologe plädiert dafür, dem Vorbild der frühen christlichen Gemeinden zu folgen. Die österreichischen Pfarrer sind von ihrer Aktion überzeugt.

Umfragen zufolge wissen sie 80 Prozent der Gläubigen hinter sich. sieben von zehn Pfarrern sympathisierten mit ihnen, wenn auch nicht in allen sieben Punkten. In Österreich wird der Aufstand vor allem von den "Alt-68ern" im Klerus getragen, die das Konzil noch miterlebt hätten. "Die 35-jährigen Priester wollten damit weniger zu tun haben", räumt Jungreithmair ein. Dafür gibt es aus Sicht der Revoluzzer durchaus positive Reaktionen aus dem Ausland, etwa aus Irland, den USA, Brasilien, Polen und Tschechien. Helmut Schüller, einst Wiener Generalvikar und einer der Gründer der Pfarrerinitiative, wird einen Vortrag in Australien halten.

Über die Grenze ins bayerische Passau ist die Bewegung auch schon übergeschwappt. So gab es im Februar erste Kontakte zur Gruppe "Passauer Priester im Dialog" um den Ruhstorfer Pfarrer Andreas Artinger. Bischof Wilhelm Schraml rief jedoch erst jüngst zum Zusammenhalt der Diözese und des Klerus auf. Solchen Tendenzen müsse theologisch klar und argumentativ entschieden entgegengewirkt werden. Im Bistum Würzburg hat sich vor einiger Zeit eine "Pfarrer-Initiative Deutschland" formiert. Nicht absehbar ist momentan ihre Anziehungskraft über Unterfranken hinaus. Auf ihrer Internetseite finden sich bisher nur wenige Mitstreiter aus anderen Diözesen. Vertreter von "Wir sind Kirche" wollen vernommen haben, dass sich dies schon bald ändern könnte. Dem "Aufruf zum Ungehorsam" der österreichischen Kollegen schloss sich die Würzburger Gruppe angesichts des von der Deutschen Bischofskonferenz eingeleiteten Dialogprozesses aber ausdrücklich nicht an.

Zuletzt geändert am 20­.03.2012