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Veröffentlicht am 10­.02.2008

10.2.2008 - ZDF 9.02 Uhr

"sonntags"

Karl Lehmann, der bisherige Vorsitzende der deutschen Bischofskonferenz, ist ein Mann, der selbst bei denen hoch geachtet ist, die nicht seiner Meinung sind, sei es nun theologisch oder kirchenpolisch oder auch - was viel seltenen ist - im säkularen Bereich. Wenn er nicht aus gesundheitlichen Gründen sein Amt selbst niedergelegt hätte, wäre er bis 2011 Chef der Bischofskonferenz gewesen, mindestens. Nun tritt das Novum in der bisherigen 160-jährigen Geschichte dieser Institution ein, dass der alte Amtsinhaber den neuen mitwählt. Ab morgen wird in Würzburg standesgemäß im Kloster Himmelspforten über den Nachfolger Lehmanns beraten, der dann auch gewählt wird. Die Frage ist nicht nur, wer im Amt nachfolgt, sondern auch, waas die Wahl für Auswirkungen hat.

München Liebfrauendom am vergangenen Wochenende: Feierlicher Gottesdienst zur Amtseinführung des neuen Erzbischofs. Kardinal Friedrich Wetter gibt den Bischofsstab weiter an Reinhard Marx. Der 54-jährige gehört zur jungen Generation der deutschen Bischöfe. Theologisch ist er eher konservativ, steht für ein selbstbewusstes Christentum in der säkularen Gesellschaft.

Erzbischof Dr. Reinhard Marx: "Wir müssen uns neu auf den Weg machen. Die Phase, in der wir sehr klagend wahrgenommen werden auch von vielen Menschen. Wir müssen missionarischer werden. Wir müssen das Volk Gottes neu sammeln."

Als Sozialethiker mischt sich Marx pointiert in die politische Diskussion ein. Er erhebt seine Stimme, wenn er christliche Prinzipien bedroht sieht. Er zählt daher zu den Favoriten für die Nachfolge von Kardinal Lehmann als Vorsitzender der deutschen Bischofskonferenz.

Doch vielen geht der Aufstieg zu schnell. Marx müsse sich erst einmal im neuen Erzbistum einarbeiten, bevor er andere Aufgaben übernehmen könne.

Christian Weisner (Wir sind Kirche): "Ich denke, der Erzbischof Marx hat erstmal hier in ;ünchen und als Vorsitzender der Bayerischen Bischofskonferenz ja eine große Aufgabe vor sich. Vielleicht wäre das im Augenblick dann doch zu früh, die Aufgabe für ganz Deutschland zu schultern."

September 1987. Die deutsche Bischofskonferenz wählt damals überraschend den 51-jährigen Karl Lehmann zu ihrem Vorsitzenden. Der jüngste wird zumobersten der deutschen Hirten und gibt sich bescheiden.

Bischof Dr. Karl Lehmann: "Es ist ja nicht so, dass der Vorsitzende der Papst in Deutschland ist - man meint das manchmal, wenn man in die Presse schaut in diesen Tagen - sondern der braucht für alles einen hohen Konsens."

Vermitteln und integrieren, zwei Eigenschaften, die zum Markenzeichen Lehmanns werden. Auch bei kontroversen Themen sucht er die Einheit unter den Bischöfen. Von Gegenwind auch aus den eigenen Reihen lässt er sich nicht entmutigen. Lehmanns Stimme hat Gewicht über die Grenzen der Kirche hinaus. Die Erwartungen an den neuen Vorsitzenden sind daher hoch.

Wolfgang Thierse (Bundestagsvizepräsident): "Ich wünsche mir sehr, dass es einen Nachfolger gibt, der mit so viel Intelligenz, so viel Differenzierungsvermögen und so viel Standfestigkeit diese katholische Kirche führen kann und die Anliegen der deutschen Katholiken auch gegenüber dem Vatikan so bekenntnisstark vertreten kann."

Neben dem Münchner Erzbischof Reinhard Marx werden vor allem dem Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch als Nachfolger zugesprochen. Der 69-jährige stünde nur für eine Amtszeit zur Verfügung, also für sechs Jahre. Zollitsch genießt bei seinen Amtskollegen hohes Ansehen. Effizient und mit viel Geschick leitet er den einflussreichen Verband der Diözesen Deutschlands, das oberste Finanzgremium der Bistümer. Zollitsch wäre eher ein innerkirchlicher Moderator. Die großen öffentlichen Auftritte sucht er nicht.

Im Kloster Himmelspforten in Würzburg fällt diese Woche nun die Entscheidung. Hier treffen sich die 69 deutschen Bischöfe ab Montag zu ihrer Vollversammlung. Bei der Amtseinführung von Erzbischof Marx in München waren viele dabei. Sie stehen vor einer schwierigen Wahl: Generationswechsel oder Übergangsphase. Marx, Zollitisch oder doch der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick? Hinter den Kulissen wird eifrig beraten. Vielleicht gibt es aber auch eine Überraschung, wie vor 21 Jahren.

Zuletzt geändert am 10­.02.2008