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Veröffentlicht am 30­.01.2008

30.1.2008 - Donaukurier

"Die Armut in Deutschland ist ein Skandal"

Eichstätt (EK) Der Eichstätter Diözesanrat sieht seine Aufgabe stets darin, auch zu politisch aktuellen und gesellschaftlich relevanten Themen Stellung zu nehmen. Und dass er dabei durchaus gehört wird, zeigte die hochrangig besetzte Gästeliste mit Repräsentanten aus Kirche, Politik und öffentlichen Leben beim traditionellen Neujahresempfang. Mit dem Diözesanratsvorsitzenden Christian Gärtner sprach DK-Redakteurin Eva Chloupek.

Herr Gärtner, dies ist nun Ihr zweiter Neujahrsempfang als Vorsitzender des Diözesanrats. Mit welchen Erwartungen, Wünschen und Hoffnungen haben Sie voriges Jahr Ihr Amt angetreten?

Gärtner: Eine große Hoffnung von mir war, dass wir mit unserem vor einem Jahr auch erst neu ins Amt gekommenen Bischof gut und eng zusammenarbeiten können. Diese Hoffnung hat sich im letzten Jahr für mich voll und ganz erfüllt.

Mit der Thematik Klimaschutz und Bewahrung der Schöpfung hatten Sie ja gleich ein hochaktuelles und komplexes Aufgabenfeld zu bestellen.

Gärtner: Das Thema Klimaschutz hat uns das ganze Jahr über beschäftigt und wird uns notwendigerweise auch in Zukunft beschäftigen. Was die Diözese anbetrifft, sehe ich uns auf einem guten Weg. Das Thema Umwelt- und Klimaschutz ist überall präsent, und mit unseren Handlungsvorschlägen haben wir als Diözesanrat einige konkrete Vorschläge mit eingebracht. Aber damit ist das Thema für uns nicht abgehakt. Mit der Arbeit unseres Sachausschusses für "Umwelt und Bewahrung der Schöpfung" bleiben wir kontinuierlich dran.

Im Bistum gibt es heuer seit 40 Jahren Pfarrgemeinderäte. Welche Bedeutung kommt diesen Gremien in den Pfarreien aus Ihrer Sicht zu?

Gärtner: In den Pfarrgemeinderäten bündelt sich das ehrenamtliche Engagement in der Kirche. Knapp 3000 Männer und Frauen, alte und junge Menschen bringen sich und ihre Ideen allein in unserer Diözese in den etwa 270 Pfarrgemeinderäten auf vielfältige Weise ein. In den Pfarrgemeinderäten arbeiten sie eng zusammen, um die Kirche und den christlichen Glauben vor Ort im Leben der Pfarrei konkret werden zu lassen. Die Kirche braucht dieses ehrenamtliche Engagement und wenn es die Pfarrgemeinderäte nicht gäbe, müsste man Sie erfinden. Die Pfarrgemeinderäte tragen Mitverantwortung für den Dienst der Kirche.

Laien – und zwar Männer und Frauen – erfüllen heutzutage bei den Gottesdiensten wichtige liturgische Funktionen, etwa als Lektoren und Kommunionhelfer. Sehen Sie diese Stärkung der Laien seit dem II. Vatikanischen Konzil angesichts der aktuellen Renaissance "lateinischer Messen" in Gefahr?

Gärtner: Ich sehe in unserer Diözese keine "Renaissance lateinischer Messen". Papst Benedikt hat ja im Grunde auch nichts Neues eingeführt. Die offizielle Sprache der Liturgie in der Kirche ist Latein, aber die normalen, regelmäßigen Messfeiern in unserem Bistum werden weiterhin deutsch sein. Eine missionarische Kirche muss die Sprache der Menschen sprechen, die sie erreichen will. Auch die Mitwirkung der Laien im Gottesdienst wird eher wichtiger werden, je weniger Priester es gibt.

Sie sind der Vorsitzende des höchsten Laiengremiums im Bistum. Sehen Sie sich auch als Ansprechpartner jener Gruppen, die nicht im Diözesanrat sind und der so genannten Amtskirche sehr kritisch gegenüberstehen, etwa der Vereinigung "Wir sind Kirche"?

Gärtner: Wir waren und sind offen für den Dialog mit allen Gruppen, die sich als Laien in der Kirche und für die Kirche engagieren wollen. Wir hatten über lange Jahre auch regelmäßigen Kontakt zu "Wir sind Kirche". Dieser Kontakt ist abgerissen, nachdem der Diözesanrat eine formelle Mitgliedschaft von "Wir sind Kirche" mehrheitlich abgelehnt hat. Zur Mitgliedschaft im Diözesanrat, der ja ein offizielles Gremium des Bistums ist, gehört unter anderem, dass eine Gruppe auch bischöflich anerkannt ist.

Im Frühling will sich der Diözesanrat mit der Thematik "Sterben in Würde – Patientenverfügung" befassen. Welche konkreten Ziele lassen sich da erreichen?

Gärtner: Bei dem Thema "Sterben in Würde" geht es uns um eine Stärkung der Hospizbewegung und der Palliativ-Medizin. Wir wollen damit auch Alternativen aufzeigen zu dem, was manche Sterbehilfeorganisationen anbieten. Unsere Gesellschaft wird immer älter, und viele Menschen verdrängen den Tod oder haben Angst vor dem Sterben. Dieses Thema ist ein urchristliches Anliegen. Wir Christen mit unserer Hoffnung auf die Auferstehung können den Menschen eine wirklich tragfähige Antwort auf diese Fragen geben. Dieses Thema wird uns wohl im gesamten Jahr 2008 beschäftigen.

Wird es heuer weitere thematische Schwerpunkte geben?

Gärtner: In der Frühjahrsvollversammlung selbst werden wir uns aber mit dem Thema "Armut in Deutschland" beschäftigen. Nachdem im letzten Jahr das Thema "Gemeindecaritas" unter anderem auch zur Gründung eines neuen Sachausschusses im Diözesanrat geführt hat, wollen wir jetzt dafür sensibilisieren, wo und in welchen Formen es bei uns Armut gibt, und wie wir als Christen zu Ihrer Linderung beitragen können. Beispielsweise engagieren sich auch viele unserer Mitglieder bei den örtlichen "Tafeln" oder in den verschiedensten Angeboten der Caritas. Es geht uns aber auch darum, zu fragen, was sich gegebenenfalls auch bei den sozialpolitischen Rahmenbedingungen ändern muss. Armut, vor allem auch Kinderarmut, ist in Deutschland eigentlich ein Skandal, immerhin ist unser Land immer noch Export-Weltmeister, und der Wirtschaft insgesamt geht es besser. Für uns Christen tut sich da eine große Gerechtigkeitslücke auf.

Zuletzt geändert am 31­.01.2008