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Veröffentlicht am 19­.07.2013

Kirchenstatistik 2012

„Trends weiter negativ. Noch fehlt der Franziskus-Effekt.“

Pressemitteilung München, 19. Juli 2013

Wir sind Kirche zu der heute veröffentlichten Kirchenstatistik des Jahres 2012

Nach Ansicht der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche zeigen die heute veröffentlichten Zahlen der Kirchenstatistik 2012 den weiterhin fortschreitenden langfristigen Trend des inneren und äußeren Auszugs aus der Kirchengemeinschaft, der auf Dauer an die Substanz der Kirche geht - auch in finanzieller Hinsicht.

Nach dem in vielerlei Hinsicht sehr problematischen Kirchensteuerdekret der Deutschen Bischofskonferenz vom September 2012 und nach der durch das Kirchensteuerurteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. September 2012 erneut ausgelösten Kirchensteuerdebatte hätten die heute veröffentlichten Zahlen der Kirchenstatistik 2012 allerdings noch sehr viel negativer ausfallen können und müssen.

Wenn sich die deutschen Bischöfe und die römisch-katholische Kirche in Deutschland insgesamt endlich entschieden zum neuen pastoralen und reformerischen Kirchenkurs von Papst Franziskus bekennen würden, könnten vielleicht für die Zukunft die nach wie vor negativen Trends in der Kirchenstatistik 2012 gestoppt oder gar umgekehrt werden, vermutet Wir sind Kirche. Erst in dieser Woche hatte Wir sind Kirche ein 4-seitiges Faltblatt „Erneuern wir unsere Kirche ... mit Franziskus!“ mit zentralen Aussagen von Franziskus sowie Stimmen über ihn zusammengestellt und bundesweit verbreitet. Ein „Franziskus-Effekt“ konnte sich allein vom Zeitpunkt her in der Kirchenstatistik 2012 noch nicht widerspiegeln, denn Franziskus wurde am 13. März 2013 gewählt.

Gegenüber dem Spitzenwert von 181.193 Kirchenaustritten im Krisenjahr 2010, in dem die jahrzehntelange Vertuschung sexualisierter Gewalt offenbar wurde, ist der Wert von 118.288 Kirchenaustritten in 2012 zwar weiter gesunken, gehört aber immer noch zu den höheren Werten seit der Jahrtausendwende. Der Gottesdienstbesuch ist noch einmal deutlich von 12,3 auf 11,7 Prozent gesunken, wofür auch der weiterhin fortschreitende massive Rückbau pastoraler Strukturen (Pfarreizusammenlegungen oder gar Pfarreischließungen) verantwortlich zu machen ist.

Die deutschen Bischöfe sollten die aktuellen Zahlen keinesfalls als Zeichen der Entwarnung oder gar als Zustimmung für ein „Weiter so“ in der aktuellen Kirchenpolitik ansehen. In den jetzt veröffentlichen Werten von 2012 spiegeln sich noch gar nicht Ereignisse wider, die auch in der kirchlichen Öffentlichkeit auf sehr negative Resonanz gestoßen sind: die Kündigung der Pfeiffer-Studie zur Aufarbeitung sexueller Gewalt in der Kirche durch die Bischofskonferenz (Anfang Januar) und die Auseinandersetzung um die „Pille danach“ in katholischen Krankenhäusern (Ende Januar).

Weitere Entwicklungen von 2011 bis 2012 im Einzelnen:
  • Den 167.616 Taufen standen im Jahr 2012 rund 247.475 Bestattungen gegenüber.
  • Die Zahl der Welt- und Ordenspriester ging von 14.847 auf 14.636 weiter zurück.
  • Die Zahl der Pfarreien uns sonstigen Seelsorgestellen wurde von 11.398 auf 11.222 reduziert.
  • Der nominale Gleichstand der Zahl Katholikinnen und Katholiken z.B. im Erzbistum München und Freising ist nur dem Zuzug polnischer Katholikinnen und Katholiken in den Ballungsraum München verdanken, dem derzeit stärksten Wachstumsraum Europas.

Langfristig kumulierende negative Entwicklungen

Während es 1990 noch 28,2 Mio. KatholikInnen in Deutschland gab, ist diese Zahl in den letzten 23 Jahren um fast 4 Mio. gesunken; dieser Rückgang entspricht der Hälfte der KatholikInnen des großen weithin katholischen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Fast 3 Mio. KatholikInnen (das ist der Zahl der KatholikInnen von Rheinland-Pfalz und des katholischen Saarlandes zusammen) sind in diesen 23 Jahren aus der röm.-kath. Kirche ausgetreten oder – aber das ist nur ein kleiner Teil – in eine andere Kirche übergetreten.

Kirchensteuerdekret: kirchenrechtlich und pastoral weiterhin äußerst fragwürdig

Das am 24. September 2012 hastig in Kraft gesetzte Dekret der Bischöfe („Pay and pray!“) ist nach wie vor eine Drohbotschaft für das Kirchenvolk und keine Motivation für suchende Menschen, der Kirchensteuergemeinschaft weiter treu zu bleiben oder ihr beizutreten. Anstatt den Ursachen für die hohen Kirchenaustrittszahlen auf den Grund zu gehen, konterkarierten die deutschen Bischöfe mit diesem Dekret den ohnehin vor sich seit drei Jahren hindümpelnden „Gesprächsprozess“, mit dem sie nach der jahrzehntelangen Vertuschung des Missbrauchskandals die Glaubwürdigkeit der Kirchenleitung zurückgewinnen wollten. Inwieweit das Dekret überhaupt kirchenrechtlich ordnungsgemäß zu Stande gekommen ist, theologisch schlüssig und pastoral sinnvoll ist, ist nach wie vor ungeklärt. eine versprochene Neufassung des Schreibens, das die aus der Kirchensteuergemeinschaft ausgetretenen erhalten sollten, haben die Bischöfe unseres Erachtens immer noch nicht vorgelegt.

Sinus-Milieustudie 2013: Es gibt kein einziges eindeutig kirchenidentifiziertes Milieu mehr

Für die Kirchenleitung muss es ein alarmierendes Signal sein, dass es in Deutschland derzeit kein einziges eindeutig kirchenidentifiziertes Milieu mehr gibt. Bei der Sinus-Milieustudie 2005 wurden immerhin noch drei der zehn Milieugruppen als „kirchenaffin“ bezeichnet. Wir sind Kirche findet es sehr bemerkenswert, dass bei der jetzigen Studie die Kritik an der Kirche, insbesondere an deren Sexualmoral, am Papst (damals noch Benedikt XVI.) und an Strukturveränderungen (Gemeindezusammenlegungen, Priestermangel) von Katholiken und Katholikinnen in allen Milieus geäußert wird, also auch im traditionellen und im konservativ-etablierten Milieu sowie in der bürgerlichen Mitte. Alle Milieus erwarten, dass die Kirche sich ändern muss, wenn sie in Zukunft Bestand haben will. Die Sinus-Milieustudie 2013 über „Religiöse und kirchliche Orientierungen“ der MDG Medien-Dienstleistung GmbH – dem Beratungsunternehmen der Deutschen Bischofskonferenz für Medienfragen – wurde im Januar 2013 in München vorgestellt.

Risikopotential: Jedes vierte Kirchenmitglied denkt ernsthaft an einen Kirchenaustritt

Dass die katholische Kirche dringend ihren Kommunikationsstil weiterentwickeln muss, hat auch die empirisch angelegte repräsentative Studie gezeigt, die das Institut für empirische Strategieberatung PRAGMA im Auftrag der Diözese Rottenburg Stuttgart durchführte und die im Januar 2013 in Stuttgart vorgestellt wurde. Wenn jedes vierte Kirchenmitglied ernsthaft an einen Kirchenaustritt denkt, so ist dies ein hohes Risikopotential, wie auch der Rottenburger Bischof Dr. Gebhard Fürst zu Recht betonte.

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Zuletzt geändert am 19­.07.2013