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Veröffentlicht am 25­.05.2006

25. Mai 2006 - ZDFheute.de

Katholikentag: Junge Menschen leben bereits die Ökumene

"Es gibt ja keinen Religionsausweis"

von Mareike Aden, Saarbrücken , 25.05.2006

Blumentöpfe verteilen, Stühle schieben und Broschüren stapeln - mehr können die Helfer in der Willi-Graf Schule nicht tun an diesem Morgen. Die Foren-Besucher kommen erst mittags. In Grüppchen schmieden die meisten Freiwilligen Pläne für den Katholikentag. Die 22 Jahre alte Nicole Pusch steht verloren in der Aula herum. "Bisher weiß es noch niemand." Nicole Pusch studiert evangelische Theologie. Zu Katholiken hatte sie bisher einen "eher schlechten Zugang". Damit sich das ändert, hat sie sich als Helferin gemeldet. Auf dem Katholikentag in Saarbrücken sind es vor allem junge Menschen wie Nicole Pusch, die die Ökumene leben wollen oder es längst tun. Die Katholische Kirche tut sich damit schwer.

Schon vor vier Monaten hat Nicole Pusch sich als Helferin für den Katholikentag in ihrer Heimatstadt Saarbrücken gemeldet. Gleich nach ihrer Anmeldung schrieb sie eine Nachricht ins virtuelle Gästebuch der Jugendseiten des Katholikentages, um andere Helfer kennen zu lernen. Darin erwähnte sie auch, dass sie evangelisch sei. "Einige katholische Jugendliche haben geschrieben, dass sie es toll finden, dass ich trotzdem mitmache."

Ohne Vorurteile wollte die Studentin an ihren Einsatz herangehen. Doch seit sie am Morgen die Schule betreten hat, fühlt sie sich "ein bisschen komisch". Sie habe die ganze Zeit das Gefühl, es jemandem erzählen zu müssen. "Vielleicht verrät mich ja die Lutherrose an meiner Halskette", sagt sie und lacht. "Dann wäre es endlich raus."

Konfession nicht abgefragt

Knapp acht Prozent der Katholikentag-Besucher sind evangelischen Glaubens. Wie viele evangelische Gläubige eines der grünen Tücher tragen, auf denen in weißer Schrift "Helfer" steht, weiß auch das Organisationskomitee nicht, denn die Konfession wird auf den Helfer-Meldebögen nicht abgefragt. Evangelische Helfer seien aber "überhaupt nicht selten".

Die Ökumene ist einer der Schwerpunkte auf dem 96. Katholikentag in Saarbrücken. Zahlreiche Diskussionen und Aktionen sind ebenso im Programm wie ein ökumenischer Gottesdienst. Der Ökumene-Verfechter Gotthold Hasenhüttl , der vom Priesteramt suspendiert wurde, nachdem er bei einem Gottesdienst am Rande des ökumenischen Kirchentages 2003 auch evangelische Besucher zum Abendmahl eingeladen hatte, muss sich jedoch mit einem inoffiziellen Auftritt begnügen. Die Teilnahme am offiziellen Programm wurde ihm vom Trierer Bischof Reinhard Marx untersagt.

Ein gemeinsamer Gott

Es sei wichtig, dass die Ökumene Thema auf dem Katholikentag in Saarbrücken Thema sei, findet Nicole Pusch. Besonders im streng katholischen Saarland stehe es schlecht um die Ökumene. "Nicht einmal in der Uni haben evangelische und katholische Theologiestudenten viel Kontakt miteinander", bedauert sie. Die Studentin hofft, dass sie die Katholiken nach ihrem Hilfseinsatz besser verstehen kann.

In ihrer freien Zeit will sie auch an der ein oder anderen katholischen Messe teilnehmen. Sogar das Abendmahl nach katholischem Ritus würde sie empfangen - "wenn ich in dem Moment das Bedürfnis verspüre". Als Theologie-Studentin weiß sie zwar, dass es ihr als Protestantin eigentlich nicht gestattet ist, sich die Hostie von einem Priester geben zu lassen. Doch sie fühlt sich vollkommen im Recht. "Wir haben doch einen gemeinsamen Gott."

Junge Menschen wünschen sich, dass sie gemeinsam das Abendmahl feiern können", sagt Oliver Heck, Projektleiter der katholischen Jugendkirche "Tabgha" in Oberhausen. "Sie können schwer nachvollziehen, warum es beim Abendmahl die Trennung der Konfessionen gibt." Vor allem wenn sie, wie bei "Tabgha" in Oberhausen, Gottesdienste zusammen vorbereiten und feiern.

Gelegentlich treten dort auch evangelische Jugendliche zum Abendmahl an den Altar. "Es wird zwar niemand weggeschickt", sagt Oliver Heck, "aber im Anschluss an den Gottesdienst erklärt der Priester ihnen die inhaltliche Problematik dieser Entscheidung." Hecks großer Traum ist, dass der Zwiespalt beim Abendmahl abgeschafft wird. "Die Zeit ist reif für die Ökumene." Die kirchlichen Strukturen seien es jedoch nicht.

Kaum junge Leute

Während Oliver Heck das sagt, sitzt er auf einer Bühne im Ökumenischen Begegnungszentrum, zu dem die Turnhalle der Saarbrücker Marienschule umfunktioniert wurde. Der Holzparkettboden ist mit grauem Teppich ausgelegt. Rund 80 Zuhörer sitzen auf braunen Papphockern und hören sich an, was Experten, darunter Jugendbischof Franz-Joseph Bode aus Osnabrück, zum Thema "Jugend und Ökumene" zu sagen haben. Zwischendurch singt ein ökumenischer Gospelchor. Doch auf den Papphockern sitzen kaum junge Leute - vielleicht weil sie "Konfessionsgrenzen gar nicht mehr wahrnehmen", wie der Religionspädagoge Joachim Theis von der Universität Trier in seinem Vortrag sagt.

Auf der Kirchenmeile in der Saarbrücker Innenstadt, wo Verbände, Gemeinden und Projekte sich vorstellen, sind trotz Nieselregen viele Jugendliche unterwegs. Im weißen Pavillon von "Tabgha" steht der 24 Jahre alte Matthias Scheler. Er erklärt das Projekt Jugendkirche, verteilt Broschüren und Aufkleber mit der Aufschrift "Unterwegs im Auftrag des Herrn" und gibt Massagen.

"Das ist kein Thema"

Über Ökumene wird nicht gesprochen. "Das ist überhaupt gar kein Thema für uns", so Mathias Scheler. "Es spielt einfach keine Rolle, ob jemand, der in unsere Gemeinde kommt, evangelisch oder katholisch ist", sagte er. Würde er sich denn nicht freuen, wenn die Katholische und die Evangelische Kirche sich offiziell auf ein gemeinsames Abendmahl einigen würden? Das sei sicher nett, sagt Mathias Scheler und zuckt mit den Schultern. "Es gibt ja auch jetzt keinen Religionsausweis, den man am Altar vorlegen muss."

Die Katholische Kirche sieht das natürlich nicht so gelassen. Auf dem Diskussionspodium in der Marienschule weist Bischof Bode darauf hin, dass junge Gläubige sich oft zu schnell und aus den falschen Gründen für die Ökumene beigeistern. "Wer seine eigene Identität nicht kennt, der kann ganz schnell Ökumene machen." Er fordert auch junge Mensche dazu auf "das Bereichende zu sehen, das in der Trennung liegt". Was genau er damit meint, dürfte kaum einer der jungen Menschen auf dem Katholikentag verstehen.

Zuletzt geändert am 27­.05.2006