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Veröffentlicht am 24­.05.2008

24.5.2008 - Neue Westfälische Bielefeld

Die Zukunft der katholischen Kirche in Deutschland

Leben teilen

KOMMENTAR

MATTHIAS BUNGEROTH

Ein Stadtteil im Osten von Leipzig. In der Plattenbausiedlung gibt es eine Arbeitslosenquote von 40 Prozent. Vor allem vielen jungen Menschen fehlt eine Lebensperspektive, berichten die Dominikanerinnen von Bethanien bei einem Gespräch vor dem Osnabrücker Dom. Genau deshalb haben sich sechs Schwestern dieses Ordens in Leipzig niedergelassen. Sie betreiben dort das „Café Sozial“, einen Anlaufpunkt für Jung und Alt, wo die Dominikanerinnen Beratungsgespräche und vielfältige Kurse anbieten. Ihr Ziel: für die Würde und Gleichwertigkeit aller Menschen einzustehen.

Der Rat und die Kursangebote der Ordensschwestern sind gefragt. Und das in einer Stadt, in der sich lediglich 18 Prozent der Bevölkerung zum Christentum bekennen, nur drei Prozent der römisch-katholischen Kirche angehören. „An der Basis ist die Kirche schon bei den Menschen“, sagt Schwester Simone.

Den Leitsatz des Religionspädagogen und ehemaligen Benediktinermönchs Fulbert Steffensky: „Die Armen sind die ersten Adressaten des Evangeliums“ haben die Dominikanerinnen in Leipzig ganz pragmatisch umgesetzt. Verfolgt man den Katholikentag in Osnabrück, ist auffällig, dass sich die Amtskirche schwer tut, den Dialog mit den Laien an der kirchlichen Basis zu führen. Doch die Laien sehen sich mehr denn je in der Pflicht, als Korrektiv darauf hinzuwirken, dass die katholische Kirche Zukunftsfähigkeit zeigt. Diese Rollen übernehmen in Osnabrück maßgeblich die Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ (WSK) und das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Während WSK nicht müde wird, die Themen Zölibat, Frauenordination und Laienrechte auf die Tagesordnung zu bringen, wagt sich das konservativere ZdK besonders in einer Frage weit vor: Es äußert Verständnis für die Kritik von Juden am neuen Ritus der Karfreitagsfürbitte, den Papst Benedikt XVI. freigegeben hat. Darin enthalten ist der Satz, „dass Gott die Herzen der Juden erleuchte, damit sie Jesus Christus als den Retter aller Menschen erkennen“. Das klingt so mittelalterlich wie die vom Erzbistum Paderborn eingeräumten Fälle von Exorzismus. Gut, dass die Kirchenbasis erkennt, was den Hierarchen in Rom verborgen bleibt.

Den Vorstoß des ZdK nahm Erzbischof Robert Zollitsch, neuer Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, auf, und feierte mit Rabbiner Henry Brandt, Vorsitzender der Allgemeinen Rabbinerkonferenz beim Zentralrat der Juden in Deutschland, eine christlich-jüdische Gemeinschaftsfeier – symbolische Umarmung inklusive.

Es braucht mehr Geistliche vom Format Zollitschs, damit auch der Dialog über die von WSK angestoßenen Themen offen geführt wird und irgendwann auch im Vatikan Gehör findet. Die Zukunft der Kirchen liegt im friedlichen Miteinander der Religionen und in der Ökumene, so eine Botschaft des Katholikentags.

Auch die Dominikanerinnen von Leipzig haben ihre Arbeit auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen ausgerichtet: „Für uns ist es ganz wichtig, dass wir da sind und versuchen, Leben zu teilen.“

Zuletzt geändert am 02­.06.2008