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Veröffentlicht am 03­.08.2008

80. Geburtstag von J.B. Metz

Pressemitteilung und Versuch einer Würdigung seiner Theologie

Johann Baptist Metz, ein wegweisender Theologe

Die KirchenVolksBewegung gratuliert Prof. Johann Baptist Metz, einem der profiliertesten und einflussreichsten Theologen der Gegenwart, der am 5. August 2008 seinen 80. Geburtstag feiert.

Mit seiner „Neuen Politischen Theologie“ erinnert Metz nachhaltig an die gesellschaftliche Verantwortung der Christen. Seine theologischen Impulse reichten bis zur Theologie der Befreiung in Lateinamerika. An dem bis heute wegweisenden Dokument „Unsere Hoffnung“ der Würzburger Synode (1971 bis 1975) wirkte Metz, ein Schüler von Karl Rahner, federführend mit.

In der Folge blieben Prof. Metz und der „Neuen Politischen Theologie“ aber Auseinandersetzungen mit der kirchlichen Hierarchie nicht erspart. 1979 wurde Metz von Joseph Ratzinger, damals Erzbischof von München, der Ruf an die Universität München verwehrt. Zu einer Annäherung der beiden – Ratzinger war mittlerweile Präfekt der Vatikanischen Glaubenskongregation – kam es erst wieder im Rahmen einer Tagung unter dem Titel „Ende der Zeit? Die Provokation der Rede von Gott“ aus Anlass des 70. Geburtstags von Johann Baptist Metz 1998 im münsterländischen Ahaus. Übrigens: Auf Anfragen zu den Punkten des KirchenVolksBegehrens hatte Ratzinger dort sehr ärgerlich reagiert – wie Metz in moderaterer Form auch (dokumentiert in IMPRIMATUR 8/1998).

Auf dem ersten „Katholikentag von unten“ 1980 in Berlin führte Metz einen eindrucksvollen Diskurs mit Hans Küng über die Zukunft der Kirche (siehe http://www.wir-sind-kirche.de/index.php?id=268 ganz unten). 1989 gehörte Metz zu den Unterzeichnern der „Kölner Erklärung: Wider die Entmündigung – für eine offene Katholizität“, die sich gegen die päpstliche Disziplinierung der Theologie wendete. Sein Eintreten für die Freiheit der Theologie zeigte er auch in seiner Solidarität mit angegriffenen Theologen.

Neben einer nicht bestrittenen Kirchenkrise sieht Metz vor allem eine tieferliegende Gotteskrise: „Die Krise, die das europäische Christentum befallen hat, ist nicht primär oder gar ausschließlich eine Kirchenkrise. Alle Kirchen stehen heute wie entlaubte Bäume in unserer postmodernen Landschaft. Woran liegt das? Gewiss auch an den Kirchen selbst. Doch die Krise sitzt tiefer; sie ist keineswegs nur am Zustand der Kirchen selbst festzumachen; die Krise ist zur Gotteskrise geworden“ (Metz 1993 in seiner Abschiedvorlesung vom Lehrstuhl in Münster).

Seine Kritik an Missständen in der Kirche war und ist immer mehr grundsätzlich als konkret. Seine Verdienste an einem Neuaufbruch in der Kirche sind dennoch unübersehbar. Wir sind Kirche fühlt sich seinen Anliegen verpflichtet und dankt Johann Baptist Metz für seine vielen wertvollen und zukunftsweisenden Impulse im Hinblick auf eine grundlegende Reform der Theologie und der von der Kirche zu verkündenden Frohen Botschaft.

Bundesteam der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche

Mehr Informationen:
Christian Weisner (Bundesteam)
Tel. 08131-260250 oder 0172-5184082
presse@wir-sind-kirche.de





„Erinnerung als Geheimnis der Erlösung“
Versuch einer Würdigung der Theologie von Johann Baptist Metz

Den Spruch „Das Vergessenwollen verlängert das Exil, und das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung“ über der Gedenkstätte Yad Waschem in Jerusalem hat Johann Baptist Metz, einer der herausragenden katholischen Theologen der Gegenwart, zu einem Kern und Angelpunkt seiner Theologie gemacht. „Erinnerung als Geheimnis der Erlösung“ versteht Metz als „Basis-Kategorie“ für die dringend anstehende Revision und Reform der Theologie.

  • „Erinnerung als Geheimnis der Erlösung“ heißt: Es ist nicht mehr möglich, nach Auschwitz so von Gott zu sprechen wie vor Auschwitz. Metz postuliert eine „Theodizee empfindliche Gottesrede“. Er forderte seine Studenten auf: „Fragt euch, ob die Theologie, die ihr kennen lernt, so ist, dass sie vor und nach Auschwitz eigentlich die gleiche sein könnte. Wenn ja, dann seid auf der Hut!“
  • „Erinnerung als Geheimnis der Erlösung“ heißt: Die gesellschaftskritischen Impulse der Bibel Ernst nehmen und sie für eine Beurteilung der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation einbringen. Metz setzt gegen den ungebrochenen Fortschrittsglauben auf „Unterbrechung“, auf Irritation, auf Veränderung der Verhältnisse. Die Kirche „muss sich mit den großen politisch-sozial-technischen Utopien kritisch auseinandersetzen, mit den aus der modernen Gesellschaft reifenden Verheißungen einer universalen Humanisierung der Welt“ (J.B. Metz, Zur Theologie der Welt, Mainz /München 1968, 87).
  • „Erinnerung als Geheimnis der Erlösung“ heißt: Gegen einen gesamtgesellschaftlichen „heimlichen Unschuldswahn“ und einen geradezu „unheimlichen Entschuldigungsmechanismus“ die Rückbesinnung auf die biblische Vergebungsbereitschaft stellen, die von der österlichen Hoffnung getragen ist.
  • „Erinnerung als Geheimnis der Erlösung“ heißt: Der drohenden Gefahr einer „Banalisierung“ des Christentums als folgenlose „Event-Religion“, als unverbindliches folkloristisches Beiwerk und als nützlicher Zierrat bestimmter Lebenssituationen begegnen durch die energische Frage, ob die real existierende, institutionell verfasste und weithin bürokratisierte Kirche noch ihrer eigenen Botschaft entspricht. Metz versteht Kirche als „kritische Institution gegenüber der Gesellschaft“ (Ebd., 109).
  • „Erinnerung als Geheimnis der Erlösung“ heißt: Gegen eine verbreitete Apathie gegenüber den Leidenden und den Opfern von Gewalt energisch eintreten für „Compassion“, für eine Zivilisation der Liebe, für die Rechte der Unterdrückten und Benachteiligten und für die Einheit aller Menschen vor Gott und untereinander. „Liebe muss als unbedingte Entschlossenheit zur Gerechtigkeit, zur Freiheit und zum Frieden für die anderen verstanden werden“ (Ebd., 111).
  • „Erinnerung als Geheimnis der Erlösung“ heißt: In der Rückbesinnung auf die jesuanische Kritik an aller Selbstgefälligkeit und Überheblichkeit die Bereitschaft zu Selbstkritik und Bescheidenheit setzen. „Kirchliche Kritik der Gesellschaft wird auf die Dauer nur dann glaubwürdig und effizient sein, wenn sie in zunehmendem Maße von einer kritischen Öffentlichkeit innerhalb dieser Kirche selbst getragen ist“ (Ebd., 113).
Prof. Dr. Norbert Scholl, Wilhelmsfeld

Zuletzt geändert am 03­.08.2013