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Veröffentlicht am 12­.06.2012

12.6.2012 - focus.de

Ex-Boss der Vatikanbank fürchtet um sein Leben Dienstag

Brisantes Dossier in „Vatileaks“-Affäre entdeckt

Reuters

Der geschasste Vatikanbank-Chef Ettore Gotti Tedeschi im Gespräch mit Papst Benedikt XVI. Der geschasste Vatikanbank-Chef Tedeschi steht Todesängste durch: Italienische Staatsanwälte fanden in seiner Wohnung ein geheimes Dossier, in dem er sich gegen die Vorwürfe der Kirchenbank wehrt. Es enthält brisante Dokumente. Der Kardinalstaatssekretär Bertone hofft, die sogenannte „Vatileaks“-Affäre durch die „große moralische Kraft“ des Papstes unbeschadet zu überstehen. John Cornwell, der 1989 die Verschwörungstheorien über den Tod von Papst Johannes Paul I. widerlegte, kommt zu einem ganz anderen Urteil: „Ich habe entdeckt, dass die Vatikan-Bürokratie nicht nur ein System sich ständig anfeindender Cliquen ist, sondern eine chaotische Organisation ohne moralische Regeln.“

Der Historiker und Schriftsteller bezieht sich dabei auf die Absetzung des Finanzethik-Professors Ettore Gotti Tedeschi als Chef der Vatikanbank IOR vor drei Wochen– und auf dessen seiner Meinung nach berechtigte Todesangst. „Ich fürchte um mein Leben“, habe Tedeschi den italienischen Staatsanwälten offenbart, berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ vom Dienstag. Auch die italienische Justiz nehme die Angst des ehemaligen Papstbankers ernst, der 67-Jährige werde möglicherweise demnächst einem staatlichen Schutzprogramm unterstellt. Einen privaten Personenschutz habe er sich schon vor Monaten zugelegt.

200 Seiten langes Dossier mit Geheimberichten

Die Staatsanwälte wissen, weshalb der geschasste Vatikanbank-Chef um sein Leben fürchtet: Bei Ermittlungen zu einer Bestechungsaffäre um den Verkauf von Hubschraubern des Rüstungskonzerns Finmeccanica nach Indien waren sie in seiner Mailänder Wohnung auf einen Ordner voller brisanter Dokumente gestoßen, berichtet die „SZ“: Tedeschi hatte demnach ein 200 Seiten langes Dossier für den Papst anlegen lassen, das seine Sekretärin an drei verschiedene Adressen weiterreichen sollte – falls ihm etwas „zustoßen“ würde.

In dem Dossier mit Geheimberichten, Originaldokumenten, Notizen, E-Mails, Protokollen der Gespräche mit „internen Feinden“ und einer Korrespondenz mit Papst Benededikt XVI. dokumentiere Tedeschi seine Zeit als Präsident des IOR. Und er wehre sich darin gegen die Vorwürfe, mit denen sein Rausschmiss in der Öffentlichkeit gerechtfertigt wurde.

Wollte Transparenz über „bestimmte Konten“ Offenbar hatte Tedeschi seine Mission im Kirchenstaat allzu eifrig durchgeführt: 2009 hatte ihm der Papst den Auftrag erteilt, die hauseigene Bank zu reformieren und die vatikanischen Finanzverhältnisse zu erhellen. Doch der Aufsichtsrat der Bank warf ihm Unfähigkeit vor. Außerdem habe er Sitzungen geschwänzt und „Spannungen in der Bank“ provoziert.

Mit seinen gesammelten Dokumenten wollte Tedeschi die öffentliche Demütigung kontern: Er sei fortwährend behindert worden, weil er Transparenz wollte und Klarheit über bestimmte Konten forderte, berichtet die „SZ“. Damit seien vermutlich die Nummernkonten gemeint, die der IOR angeblich für die Mafia und für korrupte Politiker und Bürokraten eingerichtet hat.

http://www.focus.de/politik/ausland/papst/brisantes-dossier-in-vatileaks-affaere-entdeckt-ex-boss-der-vatikanbank-fuerchtet-um-sein-leben_aid_765859.html

Zuletzt geändert am 13­.06.2012