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Veröffentlicht am 10­.01.2020

25 Jahre Absetzung Bischof Gaillot

Solidarität mit dem prophetischen Bischof Jacques Gaillot

Pressemitteilung München/Paris, 10. Januar 2020

Wir sind Kirche zum 25. Jahrestag der Absetzung von Bischof Jacques Gaillot (13. Januar 1995)

Überraschende Absetzung – Bischof von Partenia – Lebensdaten – Ermutigung für Wir sind Kirche – Deutschsprachiger Kontakt – Lesetipps – Weblinks

Zum 25. Jahrestag der vatikanischen Amtsenthebung als Bischof von Évreux erneuert die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche ihre Solidarität mit Bischof Jacques Gaillot. Wir sind Kirche dankt ihm für sein beispielhaftes Wirken als Seelsorger und Inspirator für kirchliche wie gesellschaftliche Randgruppen in der von ihm gegründeten „virtuellen Diözese“ (www.partenia.org).

Bischof Gaillot ist ein Bischof, der keine sozialen Tabus kennt und in christlicher Nachfolge den Menschen in Not am Rande der Gesellschaft wirklich nahe ist. Sein prophetisches Wirken als Bischof für und mit den Menschen sollte zum Vorbild eines Bischofsamtes für die christliche Kirche im 21. Jahrhundert werden. Mit dem Satz „Wir sind Brüder“ bei der persönlichen Begegnung am 1. September 2015 in Rom hat Papst Franziskus ein wichtiges Zeichen der Versöhnung gegeben, dem aber auch eine kirchenrechtliche Rehabilitation folgen sollte.

Überraschende Absetzung

Am 13. Januar 1995 wurde Jacques Gaillot – vermutlich nach direkter Intervention des damaligen Innenministers der französischen Regierung – von Papst Johannes Paul II. als Bischof von Évreux enthoben und zum Titularbischof von Partenia ernannt, einer seit dem 5. Jahrhundert im Wüstensand des heutigen Algerien versunkenen Diözese, etwa dort, wo er als junger Mann seinen Militärdienst leistete.

Ausschlaggebend für das Vorgehen des Vatikans waren nicht Fragen der kirchlichen Lehre, wie Kardinal Meisner 2004 in diffamierender Weise verbreitete, sondern Gaillots Einsatz für die am Rande der Gesellschaft Stehenden, vor allem Proteste und Aktionen gegen die restriktiven Einwanderungsgesetze des damaligen französischen Innenministers Charles Pasqua.

Die überraschende Absetzung als Bischof von Évreux und die „Versetzung“ nach Partenia löste bei Christen und Nichtchristen in Frankreich und in vielen Ländern große Entrüstung aus. An zahlreichen Orten fanden Protestversammlungen und Unterschriftssammlungen statt.

Bischof von Partenia

Da die ehemalige Diözese Partenia nicht mehr existiert, ist der Name zum Symbol all derer geworden, die in der Gesellschaft und in der Kirche ausgegrenzt werden und am Rande stehen. Seit Januar 1996 ist das Bistum Partenia auch im Internet präsent (www.partenia.org). Damit und durch viele Reisen ist Gaillot seitdem Bischof einer virtuellen Diözese, die vielen Menschen auf der ganzen Welt eine spirituelle Heimat gibt. Sein unermüdliches Engagement galt und gilt vor allem den „Sans-papiers“ (den Ausländern „ohne Papiere“).

Häufig war er seit 1995 auch in Deutschland unterwegs. Auf Initiative von Wir sind Kirche wurde er 1998 zum Mainzer Katholikentag und 2003 zum Ökumenischen Kirchentag in Berlin offiziell eingeladen. 2004 nahm er am Katholikentag in Ulm teil. Einen Eklat gab es, als Kardinal Meisner den Auftritt von Bischof Gaillot am 28. Oktober 2004 in der Bonner Beethovenhalle sowie andere Vorträge im Kölner Erzbistum verhinderte. Denn Bischof Gaillot gehört nach wie vor – auch wenn er sein Amt auf andere Art ausübt – zur Gemeinschaft der französischen Bischöfe.

Lebensdaten

Jacques Jean Edmond Georges Gaillot wurde am 11. September 1935 in Saint-Dizier (Haute-Marne) geboren, absolvierte eine klassische Ausbildung und studierte in Langres und Rom. Als Seminarist musste er von 1957 bis 1959 während des Algerienkrieges 18 Monate seinen Militärdienst leisten. Dort erlebte er die Tragödie des Krieges und beschloss, sich für den Weg der Gewaltlosigkeit einzusetzen. 1961 wurde er zum Priester geweiht.

Bald nach seiner Ernennung zum Bischof im Jahre 1982 ist Jacques Gaillot durch seine eindeutigen Stellungnahmen bekannt geworden: zu Atomwaffen, zur Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen, zum Golfkrieg, zur Todesstrafe, zu Aids, zur Solidarität mit dem palästinensischen Volk und zur Apartheid in Südafrika. Gaillot plädierte schon damals für eine Kirche, die näher bei den Menschen ist und die Herausforderungen der modernen Zeit wahrnimmt und erfüllt.

Seit über 20 Jahren lebt er in der Kongregationsgemeinschaft der Spiritaner in Paris. Am 11. September 2020 wird er sein 85. Lebensjahr vollenden.

Ermutigung für Wir sind Kirche

Zum 15-jährigen Bestehen der KirchenVolksBewegung schrieb Gaillot im September 2010:

Liebe Freunde von Wir sind Kirche
Ich freue mich mit Euch über diesen Geburtstag, der auch meiner ist, denn ich bin von Anfang an mit Euch. 15 Jahre sind es jetzt also schon, dass Ihr den Widerstand begonnen habt, indem Ihr „gegen den Strom schwimmt“. Widerstehen heißt aber auch etwas schaffen. Ihr habt den Mut gehabt, mit Tiefgründigkeit das Verhältnis der katholischen Kirche zur modernen Gesellschaft aufzuzeigen. Ihr habt es verstanden, auf ihre Moral und auf schwere strittige Sachen hinzuweisen und einen offenen und realistischen Dialog vorzuschlagen. Ihr habt gezeigt, dass der männliche Priesterstatus überholt ist und dass Frauen das Recht haben auf Zugang zu allen Verantwortungen in der Kirche. Das ist eine prophetische Aufgabe. Danke und Bravo für Eure Existenz und Euer Durchhalten. Der Morgen ist angebrochen. Eine andere Kirche ist möglich. Gottes Atem begleitet Euch. Möge es ein schönes Fest werden.
Mit brüderlichen Grüßen
Jacques Gaillot, Bischof von Partenia, Paris

Pressekontakt Wir sind Kirche-Bundesteam:
Magnus Lux, Tel: +49-176-41 70 77 25, E-Mail: lux@wir-sind-kirche.de
Christian Weisner, Tel. +49-172-518 40 82, E-Mail: presse@wir-sind-kirche.de

Deutschsprachiger Kontakt zu Bischof Jacques Gaillot:
Katharina Haller, Tel: +43-676-606 33 43, E-Mail: khaller@partenia.org

 

Lesetipps:

  • „Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts!“ Erfahrungen eines Bischofs. Unter Mitarbeit von Catherine Guigon, Herder, Freiburg i. Br. 1990.
  • „Was für mich zählt, ist der Mensch“, Herder, Freiburg i.B. 1995 (2. Aufl.). ISBN 3-451-08831-2
  • „Ihr seid das Volk“, Herder, Freiburg i.Br. 1996 (2. Aufl.). ISBN 3-451-23889-6
  • „Sonnenaufgang in der Wüste. Ich wähle die Freiheit“, Edition K. Haller 1997 ISBN-NR: 987-3-905585-00-1
  • „Knospe, du trägst die Kraft zur Blüte. Begegnung mit dem Evangelium“, Edition K. Haller 1997 ISBN-NR: 978-3-905585-01-8
  • „Machtlos, aber frei“, Edition K. Haller 2002. ISBN 3-90558503-0
  • „Ein Katechismus, der Freiheit atmet“, zusammen mit Alice Gombault und Pierre de Locht, Edition K. Haller 2004. ISBN 3-905585-04-9
  • „Die Freiheit wird euch wahr machen“ Roland Breitenbach über Bischof Jacques Gaillot, Reimund-Maier-Verlag Schweinfurt, 2010. ISBN 978-3-926300-64-5
  • Christian Weisner: „Bischof Jacques Gaillot – der etwas andere Sozialbischof“
    in: Kirche in, 09/2010, Seite 22 f
     

Weblinks:
Biographie Bischof Jacques Gaillot:
www.partenia.org/deutsch/biographie_ger.htm

Webseite Partenia (in sieben Sprachen, wird in Kürze aktualisiert):
www.partenia.org

Bischof Gaillot beim KirchenVolksTag Hildesheim 1996:
www.wir-sind-kirche.de/?id=301

Bischof Gaillot beim Katholikentag Mainz 1998:
www.wir-sind-kirche.de/?id=302

Bischof Gaillot beim Ökumenischen Kirchentag Berlin 2003:
- Mahl der Solidarität:
www.wir-sind-kirche.de/oekt/gottesdienste.htm
- Veranstaltung „ChristIn-Sein ohne Heiligenschein“:
www.wir-sind-kirche.de/oekt/veranstaltungen.htm

Versöhnungsgespräch mit Papst Franziskus am 1. September 2015
www.partenia.org/deutsch/besuch_ger.htm

Interview mit Bischof Gaillot nach dem Papstbesuch
www.partenia.org/deutsch/pdf/Deutsche_Uebersetzung_des_Interviews.pdf

 

Zuletzt geändert am 10­.01.2020