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Veröffentlicht am 16­.11.2016

Ende "Jahr der Barmherzigkeit"

„Das ‚Jahr der Barmherzigkeit‘ geht zu Ende, die Barmherzigkeit muss bleiben“ --- Problematische Initiative von vier emeritierten Kardinälen

Pressemitteilung München, 16. November 2016

Die KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche sieht das zu Ende gehende „Heilige Jahr der Barmherzigkeit“ als wichtigen Schritt des Übergangs von einem Kirchenverständnis, das viel zu stark auf Recht und Gesetz als auf Liebe und Vertrauen baut; von einem reglementierenden Kirchenverständnis hin zu einer Kirche, die sich auf dem Fundament der Frohen Botschaft den Menschen in aller Welt zuwendet. Mit der Wiederentdeckung der Barmherzigkeit als erstes Attribut Gottes (> Quelle des Zitats) hat Franziskus ein klares Zeichen der Neuausrichtung der römisch-katholischen Weltkirche gesetzt.

Doch die von Papst Franziskus gestartete bemerkenswerte Initiative muss auch weiterhin und vor allem noch sehr viel mehr in den Ortskirchen in aller Welt fortgeführt werden, um wirklich nachhaltige Veränderungen bewirken zu können. Auf Dauer wird dies zu einer grundsätzlichen Revision falscher Dogmatiken und des darauf aufbauenden Kirchenrechts führen müssen.

Wenn die römisch-katholische Kirche auf der Linie des Zweiten Vatikanischen Konzils in der gegenwärtigen Zeit relevant sein will, müssen noch sehr viel mehr Türen geöffnet und offengehalten werden für alle von der Gesellschaft und auch von der Kirche selber ausgegrenzten Menschen. Eines von vielen eindrücklichen Zeichen war zuletzt zum Beispiel der Besuch des Papstes bei sieben Priestern, die ihr Amt aufgegeben, geheiratet und eine Familie gegründet haben. Die Kirche muss ihre eigenen Regeln auf den Prüfstand stellen: Sie kann nicht weiterhin an Herrschaft und Machtausübung festhalten, wenn sie Barmherzigkeit und Gerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt.

Wir sind Kirche wendet sich entschieden gegen die verschiedentlich unternommenen Versuche, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit gegeneinander auszuspielen. Die von Papst Franziskus wieder ins Bewusstsein gerufene Priorität der Barmherzigkeit will nicht Prinzipien der Gerechtigkeit entkräften. Barmherzigkeit darf nicht nur von oben herab Gnade gewähren oder nur die Wunden behandeln. Denn sie hat – gerade unter dem Anspruch von Gerechtigkeit – durchaus auch politische Implikationen wie zum Beispiel den Einsatz gegen Gewalt und Korruption. Dies hat erst kürzlich wieder die engagierte Rede von Papst Franziskus beim Dritten Welttreffen der Sozialen Bewegungen am 5. November 2016 im Vatikan gezeigt, zu deren Audienz erstmals auch die Internationale Bewegung Wir sind Kirche eingeladen war.

Problematische Initiative von vier emeritierten Kardinälen

Als krasser Gegensatz zum Anliegen des „Heiligen Jahres der Barmherzigkeit“ erscheint das soeben veröffentlichte Schreiben von vier emeritierten Kardinälen, unter ihnen auch die deutschen Kardinäle Walter Brandmüller und Joachim Meisner (www.gloria.tv/article/3ajMh1Rs2Fze2BJdG6gjeBV14). Damit verunglimpfen sie nicht nur heute notwendige Reformen, sondern verweigern den Menschen Gottes Barmherzigkeit.

Wie aus den Medien zu erfahren ist, haben sie zusammen mit dem amerikanischen Kardinal Raymond Burke sowie Carlo Caffarra aus Bologna an den Papst appelliert, mehr Klarheit über den Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten zu schaffen. Wie wohl nicht anders zu erwarten war, versuchen diese vier Kardinäle, mit ihren fünf als Fragen deklarierten Zweifeln die von Papst Johannes Paul II. und seinem damaligen Glaubenspräfekten Kardinal Joseph Ratzinger in verschiedenen Dokumenten dargelegte Sicht als unabänderlich für alle Zukunft festzuschreiben. Ihnen geht es um die Existenz absoluter moralischer Normen sowie um die Kontrolle der Gewissen durch die Kirche ohne jede Ausnahme. In ihrer „Sorge um das Heil der Seelen“ gehen die vier Kardinäle von Forderungen aus, die Jesus nicht stellte und von denen schon Paulus und Matthäus ausdrücklich abgewichen sind. Außerdem ist das offizielle Theorem von der absoluten Unauflöslichkeit durch das Konzil von Trient nicht gedeckt.
Prof. Hermann Häring und Prof. Norbert Scholl: Anfragen an die Argumentation zur Unauflöslichkeit der Ehe
Schreiben an Kardinal Gerhard Ludwig Müller, 14. November 2014
> PDF (8 Seiten) > imprimatur Heft 1/2015 (PDF) > italiano > espaniol > english

"Wenn die Ehe zerbricht..." Prof. Dr. Norbert Scholl zur Frage der Wiederverheiratung Geschiedener, August 2015, "Gelbe Reihe" von Wir sind Kirche, 56 Seiten
> Heft per Email bestellen > Download als PDF

In der Ehe- und Sexuallehre der katholischen Kirche hat Papst Franziskus mit der Einberufung der beiden Familiensynoden und seinem nachsynodalen Schreiben „Amoris Laetitia“ jedoch eine neue Sichtweise auf die menschliche Sexualität aufgezeigt und neue pastorale Möglichkeiten gerade für die Menschen eröffnet, die durch die bisherige allzu rigide, legalistische Lehre vom Sakramentenempfang und damit auch von der vollen Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen sind. Bis jetzt ist allerdings – mit Ausnahme einer argentinischen Bischofskonferenz – wohl noch keine andere nationale Bischofskonferenz der Aufforderung des Papstes gefolgt, für den jeweiligen Kulturraum angemessene Fortschreibungen einer menschengerechten Ehe- und Familienpastoral zu entwickeln.

Pressekontakt Wir sind Kirche-Bundesteam:
Sigrid Grabmeier, Tel: 0170-8626 290, E-Mail: grabmeier@wir-sind-kirche.de
Magnus Lux, Tel: 0176-41 70 77 25, E-Mail: lux@wir-sind-kirche.de
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"Einige verstehen es nicht"
In einem Interview in der italienischen Zeitung "Avvenire" hat Franziskus deutlich den Vorwurf zurückgewiesen, nicht klar genug im Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen zu sein.
> katholisch.de 18.11.2016

Zuletzt geändert am 18­.11.2016