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Veröffentlicht am 29­.04.2010

29.4.2010 - Süddeutsche Zeitung

Erschüttert über den Inhalt der Personalakten

Ordinariatsrätin berichtet über interne Aufklärungsarbeit: In der Vergangenheit wurde viel vertuscht

Von Gerhard Eisenkolb

Eichenau - Elke Hümmeler, Vorsitzende der Kommission „Prävention von sexuellem Missbrauch“ im Münchner Ordinariat, berichtet von der Arbeit zur internen Aufklärung von Übergriffen von Priestern. Eine Gruppe im Ordinariat sei zurzeit damit beschäftigt, die Personalakten zu sichten. Sie sagt: „Wir sind erschüttert über das, was wir finden.“ Man stoße auf ganz viel Vertuschung aus der Vergangenheit. Es gebe versteckte Hinweise, die Akten seien unvollständig, es fehlten häufig auch wichtige Unterlagen wie Gutachten. Es sei der Hammer, so Hümmeler weiter, dass in der Erzdiözese pädophile Priester wieder in der Gemeindearbeit eingesetzt worden seien. So wisse man nun von einem pädophilen Seelsorger, der versetzt und wieder rückfällig geworden sei. Da Bischof Reinhard Marx hierfür keine Toleranz kenne, würden Geistliche, deren Übergriffe in den Akten dokumentiert sind, sofort suspendiert. Die inzwischen sechs Missbrauchsbeauftragten des Ordinariats würden täglich fast rund um die Uhr angerufen.

Aus der Wahrheit, der sich die Kirche mit dieser Aufarbeitung der Vergangenheit stellt, zieht die Ordinariatsrätin folgende Schlussfolgerung: „Wir müssen praktisch strenger sei, als es uns die Gerichte und Gutachter vorgeben.“ Sie werde auch mit Priestern aus anderen Bistümern konfrontiert, deren Bischof das Münchner Ordinariat gebeten habe, es doch noch einmal mit den pädophil auffällig Geworden zu versuchen. Würden Gutachter feststellen, es könnte gehen, sei es christlich, solchen Männern in der Altenheimseelsorge eine zweite Chance zu geben.

Zu den Gesprächen über einen mit rund fünf Millionen Euro angefüllten Entschädigungsfonds der Kirche für Missbrauchsopfer erklärt Nikolaus Fackler, rechtlich gesehen bestehe keine Haftung für Verfehlungen der Kirche für ihre Mitarbeiter. Der Jurist Fackler berät das Kloster St. Ottilien bei der Aufklärung von Missbrauchsfällen. Wie er berichtet, lehnten es die Benediktiner ab, in einen Entschädigungsfonds einzuzahlen. St. Ottilien sei bereit, in begründeten Einzelfällen zu zahlen. Den Opfern sei es wichtig, ihnen zu glauben. Es sei ihnen wichtig, jemandem gegenüber zu sitzen, dem sie sich erklären. Das könne auch der Täter sein, der sich für sein Verhalten entschuldige. Fackler erinnerte daran, dass die Kirche meist mit Tätern und Opfern allein dastehe, da die überwiegende Zahl der Übergriffe verjährt sei und die Staatsanwaltschaft nichts mehr unternehmen könne. Dekan Albert Bauernfeind bestätigte den Handlungsbedarf im Umgang mit den Opfern. Auch das müsste geklärt werden. Es gehe nicht nur um Geld.

Zuletzt geändert am 05­.05.2010