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Veröffentlicht am 18­.12.2015

18.12.2015 - epd

Hildesheimer Bischof wehrt sich gegen Vertuschungsvorwurf

- Trelle: Bistum würde bei Missbrauchsverdacht heute anders entscheiden - (Zusammenfassung 1600, neu: Kinderschutzbund, Reformkatholiken, Opferverband)

Seit Ende November steht das katholische Bistum Hildesheim wegen eines mutmaßlichen Missbrauchsfalles aus dem Jahr 2006 unter Druck. Jetzt weist Bischof Norbert Trelle erneut Vorwürfe zurück - und räumt auch Versäumnisse ein.

Hildesheim/Berlin (epd). Der Hildesheimer katholische Bischof Norbert Trelle hat erneut Vorwürfe zurückgewiesen, einen mutmaßlichen Fall von sexuellem Kindesmissbrauch durch einen Priester vertuscht zu haben. Zugleich räumte er Versäumnisse ein. Das betroffene Mädchen habe in einem ersten Gespräch im März 2010 auf wiederholte Nachfrage angegeben, dass es neben Umarmungen und einem Kuss auf die Wange zu keinen darüber hinausgehenden Übergriffen durch den inzwischen suspendierten Priester Peter R. gekommen sei, erklärte Trelle am Freitag in einem offenen Brief an alle Mitarbeitenden seines Bistums.

Auf die eindringliche Bitte der damals 14-Jährigen hin hätten die Verantwortlichen daher davon abgesehen, die erziehungsberechtigten Großeltern zu informieren und staatliche Stellen einzubeziehen. Trelle räumte jedoch ein: "Aus heutiger Sicht und mit der Erfahrung von fünf Jahren Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch würden wir heute anders entscheiden und vorgehen. Dass wir damals so entschieden haben, bedauern wir heute sehr."

Der bereits neun Jahre zurückliegende, aber nicht verjährten Fall war Ende November in einer Fernseh-Dokumentation des WDR wieder aufgegriffen worden. An Pfingsten 2006 soll Peter R. in Berlin das damals elfjährige Mädchen aus Hildesheim sexuell bedrängt haben. Der WDR und "Spiegel Online" warfen dem Bischof vor, er sei den ersten Hinweisen auf einen Missbrauch nicht konsequent nachgegangen. Die Opfergruppe "Eckiger Tisch" forderte den Rücktritt des Bischofs. Trelle kritisierte die Medien-Berichte. Sie hätten ein Protokoll "teils unzutreffend, teils unvollständig und irreführend" wiedergegeben.

Trelle betonte, erst im November 2010, acht Monate nach dem ersten Gespräch, habe das inzwischen 14-Jährige Mädchen seine Angaben präzisiert und eindeutige Hinweise auf sexuellen Missbrauch vorgelegt. Peter R. soll sich vier Jahre zuvor bei einer Übernachtung im selben Zimmer auf das Mädchen gelegt und versucht haben, es zu küssen. Mit dem Einverständnis der Großeltern habe das Bistum daraufhin die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Der frühere Priester Peter R. (74) stand auch im Zentrum des Missbrauchsskandals am Berliner Gymnasium Canisius-Kolleg, der im Januar 2010 bekanntwurde. Seine dortigen Taten aus den 1970er und 80er Jahren sind aber inzwischen verjährt. Nach seiner Zeit in Berlin war er rund 20 Jahre im Bistum Hildesheim tätig. Die Staatsanwaltschaft Berlin prüft zurzeit, ob sie die Ermittlungen gegen ihn wieder aufnehmen soll.

Der Deutsche Kinderschutzbund forderte unterdessen Konzepte für einen besseren Kinderschutz. "Es ist unerträglich zu beobachten, dass nach wie vor in Institutionen für Kinder Nischen für Täter bestehen", kritisierte der niedersächsische Landesvorsitzende Johannes Schmidt. Institutioneller Machtmissbrauch müsse ohne Ausnahme aufgeklärt werden.

Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" sieht in dem Fall noch viele offene Fragen. "Bei Wangenkuss und Umarmung sollten eigentlich die Alarmglocken geschrillt haben", schreibt die Initiative in einem offenen Brief an das Bistum. Das Vorgehen sei "symptomatisch für den anscheinend doch äußerst schwierigen Mentalitäts- und Aktionswandel in diesem zugegebenermaßen schwierigen Feld".

Das Netzwerk B, die nach eigenen Angaben größte Interessenvertretung von Missbrauchsopfern in Deutschland, sprach sich unterdessen gegen einen Rücktritt von Bischof Trelle aus. "Anstatt ihn medial aufs Schafott zu führen, bieten wir ihm einen Akt der Versöhnung an", sagte der Vorsitzende Norbert Denef dem epd. Bisher hätte sich Kirchenobere und Opferverbände nur bekämpft. Es sei aber wichtig, gemeinsam Wege zu suchen, um die Verbrechen aufzuarbeiten. Das Netzwerk fordert eine Melde- und Anzeigepflicht bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung.

Zuletzt geändert am 23­.12.2015