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Veröffentlicht am 13­.07.2011

13.7.2011 - ndr.de

Kriminologen erforschen Missbrauchsfälle

Es solle ein weiterer Schritt sein zu mehr Offenheit, sagt der Generalvikar des Bistums Osnabrück, Theo Paul. Mit zwei wissenschaftlichen Forschungsprojekten will die deutsche Bischofskonferenz die Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche weiter aufarbeiten. "Die Kirche hat gelernt und will auch weiter lernen", so Paul. Zum Beispiel in Hinblick darauf, wie sexualisierte Gewalt künftig verhindert werden könne.

Missbrauchsprävention in katholischer Kirche

Der Generalvikar des Bistums Osnabrück Theo Paul sagt, die katholische Kirche habe aus den bekannt gewordenen Missbrauchsfällen gelernt. Er kündigte entsprechende Maßnahmen an.

Kriminologe Christian Pfeiffer leitet ein Projekt

Christian Pfeiffer, der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen © dpa Fotograf: Peter Steffen Detailansicht des Bildes Kriminologe Christian Pfeiffer aus Hannover leitet eines der beiden Forschungsprojekte. Das erste Forschungsprojekt wird der Kriminologe Christian Pfeiffer vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen leiten. Dabei geht es Pfeiffer zufolge unter anderem "um belastbare Zahlen, die Aufarbeitung des Geschehens aus Sicht der Opfer und eine Untersuchung des Verhaltens der katholischen Kirche gegenüber Tätern und Opfern." Pensionierte Staatsanwälte und Richter sollen für das Institut ehrenamtlich nach Hinweisen auf sexuelle Übergriffe in den Akten der Kirche suchen. Entgegen ersten Presseberichten soll es für die Forscher allerdings keinen direkten Zugriff auf die Personalakten der insgesamt 27 Bistümer geben. Vielmehr sollen diese vorher von Archivangestellten und Juristen gesichtet und ausgewertet werden, hieß es von der Bischofskonferenz und den Experten. Zu Grunde liegen demnach die Personalakten der Jahre 2000 bis 2010.

Die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" hält das Forschungsprojekt für einen guten Ansatz. Doch müssten die Missbräuche auch in der Kirche aufgearbeitet werden. Video starten (01:10 min) "Kriegserfahrungen erzeugen Gewaltexzesse" Rund ein Drittel der Bistümer geht noch weiter: In Osnabrück, Hildesheim sowie sieben weiteren Bistümern werden Personalakten seit dem Kriegsende im Jahr 1945 ausgewertet. Denn ein Bezug zur Kriegsgeschichte sei in vielen Fällen von Missbrauch deutlich erkennbar, sagt Generalvikar Paul: "Eine ganze Reihe von Verantwortlichen neigte aufgrund von Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg bei der Arbeit zu Gewaltexzessen."

Besonderes Augenmerk auf Prävention

Hände halten ein Holzkreuz © picture-alliance/ dpa/dpaweb Fotograf: picture-alliance Detailansicht des Bildes Zu Ursachenforschung und Prävention von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche sollen die Projekte beitragen. Mit dem zweiten Projekt wurde der Bischofskonferenz zufolge das Institut für Forensische Psychiatrie der Universität Duisburg-Essen betraut. Dabei sollen Täterpersönlichkeiten erforscht und daraus Möglichkeiten zur Vorbeugung von Missbrauch abgeleitet werden.

Das Bistum Osnabrück habe die geplanten Forschungsprojekte von Anfang an unterstützt, sagt Theo Paul: "Wir hoffen zum einen, klarer erschließen zu können, wie die Missbrauchsfälle überhaupt entstehen konnten", so der Generalvikar. Vor allem aber wolle man solche in Zukunft verhindern: "Die Untersuchungen sollen zu einer wirksameren Vorbeugung vor sexuellem Missbrauch beitragen."

Opferverband hält Konzept für "Täuschungsmanöver"

Peter Sutor von der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" betonte, dass Forschung allein jedoch nicht reiche: "Wir hoffen, dass die Kirche danach weitere Schritte einleitet, die Forschungsergebnisse aufarbeitet und das System katholische Kirche gründlich reformiert." Und auch das "Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt" (netzwerkB) hält das am Mittwoch vorgestellte Konzept für unzureichend. Der Sprecher des Opferverbandes, Norbert Denef, sprach von einem Täuschungsmanöver. "Unter dem Druck der Öffentlichkeit öffnet die Kirche nun Akten, die wahrscheinlich wenig aussagen", so Denef. Zudem werde die Untersuchung wohl auch nicht zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. Dafür bedürfe es einer Aufhebung der Verjährungsfrist für viele der Taten.

http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/emsland/missbrauch417.html

Zuletzt geändert am 14­.07.2011