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Veröffentlicht am 24­.07.2008

24.7.2008 - AFP

Das Kreuz mit Kondom und Pille

Vor 40 Jahren verbot Papst Paul VI. Katholiken Verhütungsmittel

Von Gregor Waschinski

Berlin, 24. Juli (AFP) - 1968 waren die Dinge etwas aus den Fugen geraten, zumindest aus der Sicht des Vatikan. Die Anti-Baby-Pille versprach sexuelle Freiheit, und allen voran die Studentenbewegung schien davon rege Gebrauch zu machen. Mit der Enzyklika «Humanae Vitae» stellte sich Papst Paul VI. dem Zeitgeist entgegen und brandmarkte den Gebrauch von Verhütungsmitteln - die große Mehrheit der Katholiken folgte ihm aber nicht. 40 Jahre nach der «Pillen-Enzyklika» hoffen Reformkräfte in der katholischen Kirche auf eine Abkehr von der «Morallehre aus dem Mittelalter», Papst Benedikt XVI. macht ihnen aber wenig Hoffnung.

Die Enzyklika «über die rechte Ordnung der Weitergabe menschlichen Lebens» vom 25. Juli 1968 ist eines der umstrittensten katholischen Lehrschreiben. Sie verbietet jegliche Form von künstlicher Geburtenkontrolle - auch wenn Pille und Kondom nicht ausdrücklich erwähnt werden. Dem «ehelichen Akt» wohne eine «von Gott bestimmte unlösbare Verknüpfung» von Liebe und Fortpflanzung inne, begründete Papst Paul VI. damals die Entscheidung. Als einzigen Verhütungsweg erlaubte er, «den ehelichen Verkehr auf die empfängnisfreien Zeiten zu beschränken». Sex ohne Trauschein wurde gar nicht erst diskutiert.

"Humanae Vitae» löste innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche einen Sturm der Entrüstung aus - zumal sich Papst Paul VI. über eine anderslautende Mehrheitsmeinung einer Kommission hinwegsetzte, die ihn in dieser Frage beraten sollte. Die deutschen Bischöfe gestanden den Gläubigen in der «Königsberger Erklärung» umgehend Ausnahmen zu: Aus Gewissensgründen dürften Eheleute bei der Verhütung eine andere Entscheidung treffen als von «Humanae Vitae» vorgegeben.

Für die Reformbewegung «Wir sind Kirche» ist das nicht ausreichend. Sie fordert zum 40. Jahrestag der Enzyklika einen «angstfreien, liebevollen und menschenfreundlichen Blick» der katholischen Kirche auf die Sexualität. «Mitten in die Aufbruchstimmung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde den Katholiken eine Morallehre aus dem Mittelalter übergestülpt», beklagt Sigrid Grabmeier von «Wir sind Kirche». Die Enzyklika habe zu einem Bruch zwischen Kirchenleitung und Kirchenvolk geführt und werde allenfalls von «fundamentalistischen Randgruppen» befolgt.

Andere Kritiker sehen «Humanae Vitae» nicht nur als Ausdruck einer verstaubten Sexualethik, sondern als gefährliches Hindernis im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit Aids. Immer wieder nutzen Kirchenkritiker Auftritte des Papstes, um öffentlichkeitswirksam die Risiken des strikten Kondom-Verbots für die Ausbreitung von Aids anzuprangern. Erst beim Weltjugendtag in Sydney vergangene Woche verteilte eine Gruppe Kondome an Besucher des religiösen Jugendfestivals.

Gerade die starre Haltung bei Detailfragen zu Verhütungsmethoden hat nach Ansicht von «Wir sind Kirche» dazu geführt, dass «Humanae Vitae» nur einseitig gelesen wird. «Die positiven Seiten, etwa die Bedeutung der Sexualität für die Liebe zwischen Ehepartnern, gehen unter», sagt Grabmeier. Das Lehrschreiben bemühe sich um eine «durchweg positive Sicht der Sexualität», sagt auch der Moraltheologe Konrad Hilpert von der Ludwig-Maximilians-Universität München. «Humanae Vitae» erkenne an, dass Sexualität nicht nur dazu diene, Nachkommen zu zeugen, sondern auch die Liebe zwischen den Partnern zu festigen. Das sei nicht in allen Epochen der Kirchengeschichte so selbstverständlich gewesen.

Dass der Vatikan seine Meinung bei Kondom und Pille demnächst ändert, ist jedoch nicht zu erwarten. Papst Benedikt XVI. stellte sich im Mai voll und ganz hinter «Humanae Vitae». Der Lehrinhalt der Enzyklika sei «unverändert wahr», sagte der deutsche Pontifex auf einer Konferenz zum Jahrestag des Dokuments. Sein Vorgänger Paul VI. habe die Frage der Empfängnisverhütung damals mit «Weitsicht» behandelt.

Zuletzt geändert am 28­.07.2008