7.3.2010 - ZDF.de
Katholische Laien machen Druck auf den Papst
Kein Tag ohne neue Missbrauchsfälle. Jetzt wächst der Druck auf Papst Benedikt XVI. Die Laienorganisation "Wir sind Kirche" fordert Rechenschaft von ihm. Schließlich sei der Papst in den 70er und 80er Jahren Bischof von München und Freising gewesen.
"Von 1977 bis 1981 war Joseph Ratzinger Bischof von München und Freising - er muss also die Frage beantworten, was er damals gewusst hat und weshalb er wie gehandelt hat", sagte Sprecher Christian Weisner am Sonntag. Zuvor war bekanntgeworden, dass es auch bei den Regensburger Domspatzen bis in die 60er Jahre hinein Missbrauchsfälle gegeben haben soll. Die kirchliche Obrigkeit könne nicht leugnen, dass Informationen über diese Missbrauchsfälle "bis in die obersten Etagen der Kirche gedrungen sind. Das steht fest", betonte Weisner. Er sprach von "vielen Fällen sexueller Gewalt, die
durch das System Kirche gedeckt worden sind". Basis fordert Zeichen der Reue
Der Vatikan hatte am Wochenende angekündigt, die Aufklärung der Vorgänge bei den Regensburger Domspatzen unterstützen zu wollen. Das Wichtigste sei, "dass den potenziellen Opfern Gerechtigkeit widerfährt". Man stehe hinter der Diözese, wenn es darum gehe, die "schmerzhafte Frage" offen und entschlossen zu analysieren. Der Knabenchor wurde seit den 60er Jahren vom Bruder des Papstes geleitet. "Die Vorwürfe, die nun aufgetaucht sind, fallen nicht in die Amtszeit von Professor Georg Ratzinger", betonte der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller in der Zeitung des Vatikans, dem "Osservatore Romano". Ratzinger selbst sagte der Zeitung "La Repubblica", ihm seien keine Missbrauchsfälle bekannt. Als Zeuge stünde er eventuellen Ermittlungen aber zur Verfügung, sagte er der "Bild"-Zeitung.
"Wir sind Kirche"-Sprecher Weisner verlangt von den Bischöfen ein sichtbares Zeichen der Reue. "Eine auf einer Pressekonferenz abgelesene Entschuldigung reicht nicht aus." Stattdessen solle die Deutsche Bischofskonferenz etwa eine gut dotierte Stiftung zur Vorbeugung gegen sexuellen Missbrauch gründen, sagte Weisner.
Schavan: Null Toleranz
Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) kündigte an, den Missbrauch an Schulen einen Riegel vorzuschieben. Eltern müssten sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder in pädagogischen Einrichtungen geschützt sind. Die CDU-Politerkin sagte der "Bild am Sonntag": "Ich werde in den nächsten Tagen mit dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz und den Vorsitzenden der Lehrerverbände darüber beraten, welche konkreten Maßnahmen wir ergreifen, um weiteren Fällen von Missbrauch vorzubeugen, Opfern zu helfen und damit Vertrauen auch bei Eltern wiederherzustellen."
Missbraucht von Nonnen?
Die stellvertretende CDU-Vorsitzende forderte von den betroffenen Bildungseinrichtungen vollständige Aufklärung: "Wo immer in Schulen und Internaten der Verdacht besteht, dass Missbrauch und Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen vorliegen, muss es null Toleranz geben und vollständige Aufklärung erfolgen. Nichts darf verheimlicht werden." Gewalt und Missbrauch gegenüber Schülern sei der schwerste Vertrauensbruch, der vorstellbar ist. "Das macht mich zornig", so Schavan. "Eltern müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder vor Gewalt und Missbrauch in pädagogischen Einrichtungen geschützt sind."
Bischof: Alles für Aufklärung tun
Der Trierer Bischof Stephan Ackermann, Missbrauchsbeauftragter der Katholischen Bischofskonferenz, kündigte in der Zeitung an: "Wir werden alles tun, was uns in Sachen Aufklärung und Prävention möglich ist. Ich erhoffe mir, dass Opfer ermutigt werden, über sexuellen Missbrauch zu sprechen und damit für sich einen Weg zu finden, ihr Leben trotz der schweren Verletzungen, die sie erlitten haben, positiv zu gestalten."
Am Samstag war bekannt geworden, dass auch an der hessischen Odenwaldschule, einer UNESCO-Modellschule in Heppenheim, Schüler regelmäßig missbraucht wurden.
Mit Material von dpa
URL: http://www.heute.de/ZDFheute/inhalt/15/0,3672,8046991,00.html
Zuletzt geändert am 14.04.2010