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Veröffentlicht am 21­.12.2007

Wir sind Kirche-Jahresbilanz 2007

Trotz Hoffnungs-Enzyklika kein Jahr der Hoffnung

Pressemitteilung München, 21. Dezember 2007

Das Thema Religion hat in dem zu Ende gehenden Jahr in der Öffentlichkeit merklich an Bedeutung gewonnen. Doch was wird für die römisch-katholische Kirche in Erinnerung bleiben? Die Hoffnungs-Enzyklika oder das Anti-Ökumene-Schreiben der Glaubenskongregation? Die Freigabe der vorkonziliaren Liturgie oder das Jesus-Buch des Papstes? Die Profilierungen einzelner Bischöfe oder der Missbrauchsskandal im Bistum Regensburg?

Der jetzt erstmals veröffentlichte internationale „Religionsmonitor“ stellt fest, dass Religion für die Deutschen wichtiger ist als bislang angenommen. Doch die wiederentdeckte Religiosität findet keine Heimat mehr in den Großkirchen. Die ein Jahr zuvor veröffentlichte „Sinus-Studie“ zeigte sehr ernüchternd auf, dass die römisch-katholische Kirche nur noch einen Bruchteil der gesellschaftlichen Milieus erreicht, der weiter schrumpft. Auch der „Religionsmonitor“ sieht trotz Massenevents und Papstbesuch noch keine wirkliche Renaissance des Glaubens.

Milde Papstworte – harter Kurs

Trotz milder Worte des Papstes zeigten die römischen Verlautbarungen dieses Jahres immer deutlicher den Rückzug auf überholte Lehrformeln und sogar Versuche, die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) im Sinne der vorkonziliaren Theologie zu interpretieren oder gar schrittweise rückgängig zu machen. Die rückwärtsgewandte Ausrichtung dieses Pontifikats wird leider immer deutlicher:

Benedikt XVI. verspricht Halt und Orientierung in unsicheren Zeiten. Aber die Enttäuschung im Kirchenvolk wächst, da auch im dritten Jahr seines Pontifikats keine Lösung zentraler pastoraler Fragen in Sicht ist. Beispielsweise die weltweit immer drängender werdende Frage, wie angesichts des dramatisch zunehmenden Priestermangels die Gemeinden überhaupt noch Eucharistie feiern können.

Mit seinem vielgepriesenen Jesus-Buch lud Joseph Ratzinger/Papst Benedikt als Buchautor zum Widerspruch ein – als Papst Benedikt duldete er keinen Widerspruch. Der weltberühmte Befreiungstheologe Pater Jon Sobrino SJ wurde öffentlich gerügt und die gesicherten Ergebnisse der historisch-kritischen Methoden der Bibelauslegung werden nicht zur Kenntnis genommen.

Entgegen den Empfehlungen der weltweiten Bischofs-Synode 2005 ordnete Papst Benedikt im Juli 2007 die völlige Freigabe der vorkonziliaren Liturgie an, ein Indiz für die Macht zahlenmäßig kleiner, aber offensichtlich sehr einflussreicher traditionalistischer und restaurativer Kräfte innerhalb der Kirche. Dies birgt die Gefahr neuer innerkirchlicher Spaltungen.

Das Schreiben der Glaubenskongregation bezüglich der „Lehre über die Kirche“, ebenfalls vom Juli 2007, führte zu großen Irritationen in der Ökumene und überschattete die ökumenischen Treffen dieses Jahres. Dieses Schreiben mit seiner Umdeutung der differenzierten Erklärungen des Zweiten Vatikanischen Konzils gefährdet das Verhältnis zu den anderen christlichen Kirchen.

Auch die zweite Enzyklika des Papstes zum Thema Hoffnung, die mit keinem Wort das Zweite Vatikanische Konzil und dessen Pastoralkonstitution "Gaudium et spes" (Freude und Hoffnung) erwähnt, könnte als Abschied vom Konzil gedeutet werden. Vor allem ist aber zu fragen, welche konkreten Hoffnungen diese Enzyklika für das Leben der Gläubigen in der römisch-katholischen Kirche und für die Ökumene mit den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen bringt.

In der jüngsten „Lehrmäßigen Note“ zur Evangelisierung wurde konsequent am unreflektierten Missionsbegriff festgehalten. Angesichts ihres fragwürdigen aber immer wiederholten Alleinvertretungsanspruchs muss sich die römisch-katholische Kirche fragen lassen, wie ernst ihr überhaupt noch Ökumene und ein ehrlicher Dialog auf Augenhöhe sind.

Falsche Profilierungen in Zeiten der Unsicherheit

Gerade in einem säkularen Europa sollten die christlichen Kirchen gemeinsam Zeugnis geben und selber sichtbare Zeichen der eigenen Erneuerung und der Einheit untereinander setzen. Denn die Versöhnung zwischen den Konfessionen und Religionen ist ein eminent wichtiger Baustein für das weitere Zusammenwachsen Europas und darüber hinaus für die Sicherung des Friedens in der Welt.

Doch die Kirchen sind in Verteidigungshaltung, Selbstdarstellung und Polarisierung haben zugenommen. Aber päpstliche Lehrschreiben alleine und markige Medienauftritte von Bischöfen sind keine ausreichende Antwort auf die zunehmende Suche der Menschen nach Spiritualität, nach Sinn und Halt. Statt nur zu predigen sollten die Kirchen mehr zuhören und die Menschen in ihrem konkreten Alltag begleiten – so wie Jesus dies getan hat.

Gemeindeschließungen tragen ein Übriges dazu bei, dass die Großkirchen die Nähe zu den Menschen verlieren. Der rigide Sparkurs à la McKinsey wurde und wird fortgesetzt, ob im armen Bistum Essen oder im Erzbistum Köln, einem der reichsten Bistümer weltweit. Mit immer neuen Strukturmodellen täuschen die Bischöfe sich und die Gläubigen über den bereits vielerorts spürbaren Kollaps der Seelsorge und der Gemeindestrukturen hinweg.

Das Papier „Kirche und Amt“ der niederländischen Dominikaner, das den Mangel an zölibatären Priestern und die daraus entstandene Notsituation klar benennt und zu kreativen Lösungen ermutigt, wird von den Ordens- und Kirchenoberen zurückgehalten. Doch die sich zusehends verschärfenden pastoralen Probleme machen die Relevanz der Anliegen der KirchenVolksBewegung immer deutlicher.

Der unverantwortliche Umgang des Bistums Regensburg mit einem sexuellen Missbrauchsfall durch einen Priester brachte über Wochen negative Schlagzeilen. Dass weder die Deutsche Bischofskonferenz noch der Vatikan hierzu klar Position bezogen haben, hat gezeigt: Die von Papst Joannes Paul II. eingeleitete Null-Toleranz-Politik in dieser Frage ist gescheitert.

Auch 2008 die „Stimme des Kirchenvolks“ zu Gehör bringen

Für das kommende Jahr stellt sich die wichtige Frage, welchen Kurs die 2007 vom Papst eingesetzten Bischöfe, der ausgewechselte Nuntius in Deutschland und der gerade jetzt in die Glaubenskongregation berufene Bischof Dr. Gerhard Ludwig Müller steuern werden. Werden sie rasch ein gutes Gespür für die pastorale, ökumenische und soziale Situation in unserem Land gewinnen? Werden sie einen partnerschaftlichen Leitungsstil ausüben im intensiven Dialog auch mit den haupt- und ehrenamtlichen Laien, den Räten und den konzilsorientierten Gruppierungen in unserer Kirche?

Die international vernetzte KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche wird auch 2008 die „Stimme des Kirchenvolks“ zu Gehör bringen, z.B. bei anstehenden Bischofsbestellungen, zum Papstbesuch der UN, beim Katholikentag Ende Mai in Osnabrück, zum Weltjugendtag in Australien und bei den Vorbereitungen für den Zweiten Ökumenischen Kirchentag 2010 in München. Diese Stimme wird angesichts des restaurativen Klimas in der römisch-katholischen Kirche immer notwendiger.

Denn die Ziele des 1995 allein im deutschsprachigen Raum von 2,5 Millionen Menschen unterschriebenen KirchenVolksBegehrens sind mittlerweile weltweit zum Reformkanon geworden für eine heutige, den Menschen zugewandte katholische Kirche im Geiste des Zweiten Vatikanischen Konzils und der darauf aufbauenden theologischen Forschung und pastoralen Praxis.



Links zum Religionsmonitor:
> Umfrage Religionsmonitor
www.religionsmonitor.com

> Informationen zum Religionsmonitor und
Pressemeldung der Bertelsmann Stiftung vom 15.12.2007 „Jeder fünfte Bundesbürger ist ein hochreligiöser Mensch“
www.bertelsmann-stiftung.de

Links zur Sinus-Milieu Studie 2005:
> Portal: Milieus & Kirche
www.milieus-kirche.de

> Sinus-Milieu Studie 2005 auf der Seite der katholischen Internetseelsorge
www.katholisch.internetseelsorge.de

> Milieuhandbuch "Religiöse und kirchliche Orientierungen in den Sinus-Milieus 2005"
www.mdg-online.de

Zuletzt geändert am 21­.12.2007