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Veröffentlicht am 01­.07.2014

Instrumentum Laboris

Ein guter Anfang - Endlich kommen die wirklichen Probleme vor das Gottesvolk und die Bischöfe

adaptierte Pressemitteilung von Noi siamo chiesa, 1.7.2014

Ungenügende Auswertung der Fragen

Die Antworten auf die von der Bischofssynode geförderte Befragung sind, so wie sie vorliegen, von großem Interesse. Sie sind nicht vergleichbar mit ähnlichen Texten vorheriger Synoden, die weitschweifig, langweilig und überflüssig waren. Papst Franziskus hat erstmals den Versuch gewagt, die «Laien » in den Prozess der Entscheidungsfindung einzubeziehen.

Die Lektüre des «Instrumentum laboris» wirft allerdings methodische Fragen auf:
  • Welche nationalen Bischofskonferenzen haben überhaupt geantwortet?
  • Wie wurde die Befragung in den verschiedenen Diözesen durchgeführt?
  • Wie viele Antwortschreiben von der «Basis» sind bei den Bischöfen angekommen?
  • Wie setzte sich diese Basis zusammen (Gemeinden, Verbände, Einzelne, spontane Zusammenschlüsse ...)
  • ?
  • Welche Fragen sind mehr, welche weniger ausgearbeitet worden?
Sicher war es nicht möglich, die Antworten im Einzelnen wiederzugeben. Aber einzelne typische Punkte hätten exemplarisch ausgewählt werden können, und weitere Hintergrund-Informationen wären wünschenswert gewesen. Unsere Erwartungen an die italienischen Bischöfe sind sehr hoch. Leider wurde nichts über den Ausgang der Konsultationen in unserem Land mitgeteilt. Wir wissen, dass viele Diözesanbischöfe damit sehr zögerlich umgegangen sind.

Vielfältige Probleme

Die vielfältigen Probleme, die bei der Auswertung auftauchten, sind wichtig und für die Zukunft der Kirche und die Verkündigung des Evangeliums lebensnotwendig.

Vor allem ist festzustellen: Die Fragen des Arbeitsinstrumentes sind großenteils bereits Gegenstand der Konzilsaufarbeitung gewesen (Analysen, Konferenzen, Bücher, Rundschreiben usw.). Sie wurden in den vergangenen Jahren jedoch kaum beachtet. Vor allem ist das kirchliche System mit wenigen Ausnahmen nicht auf den Dialog eingegangen. Man hat sich kaum um das Verstehen der neuen Realität der Familienthematik bemüht. Immer wieder wurde die alte Lehre eingeschärft und in verschiedenen «Kampagnen» propagiert (z.B. "Familientag").

Es gibt aber längst eine neue, veränderte Situation, die sich seit Jahren auf das tägliche Leben eines jeden von uns auswirkt, man denke an (Medien, Internet, Konsum, Unsicherheit und Armut). Sie greift in auch tief in die Familienstruktur ein. Hier sollte stärker die konkrete Situation berücksichtigt werden, anstatt Verurteilungen auszusprechen und Vorschriften einzuschärfen. Das „Familienmodell“, das seit jeher gepredigt wird, entspricht kaum noch der heutigen Realität - auch im so genannten katholischen Milieu. Die beiden Synoden in diesem Jahr und im nächsten Jahr werden viele, vielleicht zu viele Themen zu besprechen haben. Aber sie müssen sich bewusst sein, dass dieses vorbereitende Instrument der Synode keinerlei lehramtliche Bedeutung besitzt.

Es verflicht Informationen über die gegenwärtige Situation mit Passagen, in denen noch die traditionelle, „unabänderliche“ Ehelehre vertreten und diktiert wird. Zum Beispiel wenn man die Homosexualität so mit der Gender-Theorie verbindet, als ob die Entstehung von Fragen im Zusammenhang mit Homosexualität nicht auf das wachsende Bewusstsein zurückzuführen ist, das Homosexuelle von ihrer sexuellen Orientierung haben, sondern auf eine „Verwirrung der Geschlechter“, die die westliche Gesellschaft „infiziert“ habe.

Wenn die im „Instrumentum laboris“ genannten Situationen von Land zu Land, von Kultur zu Kultur so unterschiedlich sind, ist zu fragen, warum nicht auch über die Möglichkeit einer von Land zu Land verschiedenen Pastoral nachzudenken ist. Hier wären zu berücksichtigen die Rituale, die Rolle der Mutterschaft, das Zivilrecht, die stärkere Rolle der Laien, vor allem jener von Frauen.

Möglichkeiten der kommenden Synoden

Die beiden Synoden stehen, vereinfacht gesagt, vor zwei Möglichkeiten:
  • einen pastoral offeneren Ansatz für alle Fragen zu akzeptieren,
  • zumindest in bestimmten Fragen auch Veränderungen doktrinärer/lehramtlicher Art für zuzulassen (die Kirchengeschichte kennt davon viele).
So müsste die Linie der Enzyklika „Humanae Vitae“ geändert werden. Das Verbot empfängnisverhütender Mittel ist im Denken des christlichen Volkes stillschweigend weithin nicht akzeptiert worden, obwohl sie von den Päpsten immer wieder eingeschärft wurde. Diese Heuchelei kann nicht weiter toleriert werden.

Die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen erfordert eine Lösung. Das Problem ist klar im „Instrumentum laboris“ in all seinen Aspekten erkannt und benannt. Die Bischöfe sollten sich dazu durchringen, die alte Tradition der Möglichkeit einer Zweit- und Drittehe unter bestimmten Bedingungen wieder einzuführen, wie sie noch heute von der orthodoxen Kirche befolgt wird.

Diese zwei Möglichkeiten, die möglich sein sollten, sollten eine Familienethik in den Blick nehmen, die auf Gewissensfreiheit und Eigenverantwortung gründet, sowie auf jene Barmherzigkeit, von der das Evangelium und neuerdings immer wieder Papst Franziskus sprechen. Das wäre ein wichtiger und für Viele akzeptabler Schritt, die Kirche wieder stärker in die säkularisierte Gesellschaft einzubinden.

Vittorio Bellavite, Koordinator von "Wir sind Kirche"

Übersetzung aus dem Italienischen: Dr. Irmgard Ackermann und Friedrich Griess

italienische Originalfassung: L’Instrumentum laboris è un documento interessante

Zuletzt geändert am 09­.07.2014