MONITOR Nr. 504 am 19. Juni 2003
Der widerspenstige Pfarrer Kroll und das
verbotene Abendmahl
Bericht: Helge Cramer
Sonia Mikich: "Hallo, willkommen bei MONITOR. Heute feiern die katholischen Christen Fronleichnam, den lebendigen Leib des Herrn. Das Abendmahl steht auch im Mittelpunkt unseres ersten Films. Und zwar ein verbotenes Abendmahl.
In der katholischen Gemeinde Großhabersdorf rebellieren die Gläubigen. Der Grund: ihr Pfarrer, Bernhard Kroll, wurde 'vorläufig suspendiert', weil er an einem evangelischen Abendmahl während des ökumenischen Kirchentages in Berlin teilgenommen hatte. Genau diese Art der christlichen Annäherung hatte der Papst zuvor unmissverständlich verboten.
Der widerspenstige Kroll wollte Bewegung in den ökumenischen Gedanken bringen, dafür wird er vom konservativen Bischof Mixa kirchenamtlich abgestraft. Wir fragen uns: In welchem Jahrhundert leben wir eigentlich? Eine Reportage von Helge Cramer."
Applaus in Rom für einen bayerischen Bischof: Walter Mixa, Bischof von Eichstätt, ist beim Papst ein gern gesehener Gast, der seine unerschütterliche Treue zur römischen Lehre schon zum Amtsantritt kundtat - zum Beispiel in Sachen Ökumenisches Abendmahl:
Walter Mixa, Bischof: "Es ist die Frage, ob ich Impulse geben kann, ich möchte sie geben. Es ist dann aber auch die Frage, ob das, was gesagt wird, was ist der ursprüngliche Wille Jesu? Ob das dann auch gern gehört wird."
Applaus in Franken für einen bayerischen Priester: Bernhard Kroll, Jugendseelsorger des Bistums Eichstätt und Pfarrer im fränkischen Großhabersdorf, wird in seiner Gemeinde verehrt, weil er das von Katholiken wie Protestanten sehnlich gewünschte gemeinsame Abendmahl praktiziert hat:
Bernhard Kroll, Pfarrer: "Für mich eine logische Konsequenz, eine bewusste Grenzüberschreitung, um vielleicht auch etwas nach vorne zu bringen."
Die Gottesmänner haben also einen Konflikt, und die Gemeinde ist in Aufruhr: Zu Pfingsten statt Messe Protest vor der Kirche, weil der Bischof den Pfarrer wegen des Abendmahls mit Amtsverbot belegt hat. Kern der Anweisung:
Stefan Killermann, Offizial Bistum Eichstätt: "Im kirchlichen Gesetzbuch ist festgelegt: Wer sich verbotener Gottesdienstgemeinschaft schuldig macht, soll mit einer gerechten Strafe belegt werden."
Es ist die erste bischöfliche Botschaft seit den Bauernkriegen, die hier in Buhrufen und Hohngelächter untergeht.
Gemeindemitglied: "Das Gesetz bleibt uns irgendwo verschlossen, ich denke, es ist auch nicht mehr ganz zeitgemäß."
Gemeindemitglied: "Ne. Das klingt für mich eher wie 15. Jahrhundert, Mittelalter, wo der Pfarrer, wenn er irgendwas Böses macht, ins Gefängnis gesteckt wird."
Gemeindemitglied: "Und das finde ich, von Eichstätt her, a ganz große Sauerei."
Eichstätt im Altmühltal, ein letzter Zipfel Oberbayern südwestlich von Nürnberg, eines der ältesten Bistümer in Deutschland und zugleich das kleinste in Bayern, denn Nürnberg und das fränkische Umland sind traditionell evangelisch.
Auch Großhabersdorf; die evangelische Kirche prägt Ortsbild und Gemeindeleben, und eine ebenso kleine wie lebendige katholische Diasporagemeinde pflegt seit langem ökumenisches Miteinander mit den evangelischen Nachbarn. Für den Pfarrer Kroll ergab sich daraus zum ersten ökumenischen Kirchentag in Berlin nur eine aufrichtige Konsequenz: das gemeinsame Abendmal in der Gethsemanekirche.
Nicht nur Kroll; etliche katholische Priester haben daran teilgenommen. Der Saarbrücker Priester und Professor Gotthold Hasenhüttl kann als einziger aus diesem Kreis ohne Existenzangst dazu stehen, denn dem emeritierten Uni-Professor kann keine Kirche Wohnung oder Pension entziehen.
Prof. Gotthold Hasenhüttl, Universität Saarbrücken: "88% der Katholiken wollen ein gemeinsames Abendmahl mit den evangelischen Christen. Diese feinen theologischen Unterschiede werden ja bei normalen Christen überhaupt nicht mehr registriert. Und es geht ja auch weniger um den Unterschied des Verständnisses des Abendmahls, als vielmehr um die Frage des Amtes. Und die Frage des Amtes ist eine Machtfrage, und die steht eben leider ganz im Vordergrund der Hierarchie der katholischen Kirche."
Kommunion mit Bischof Mixa: Das evangelische Abendmahl hat er erst zu Pfingsten als 'geselliges Brötchenessen' verunglimpft; also Sonntagsbrunch mit Alkoholausschank und nicht im entferntesten vergleichbar mit seinem eigenen geheiligten Tun. Nur ein Priester wagt öffentlich Kritik:
Karl Graml, Priester: "Ich denke, dass er nicht nur rechts außen in Bayern ist, sondern im gesamten deutschen Episkopat."
Graml kennt die spirituelle Heimat seines Bischofs: Konnersreuth im bayerisch-böhmischen Grenzland, wo in den fünfziger Jahren die fromme Resl von Konnersreuth als stigmatisierte Volksheilige Schlagzeilen machte; jedes Jahr an Karfreitag brachen ihr die Wundmale Christi auf. Ihrem Wunderwirken dankt die Nachwelt ein Priesternachwuchs-Gymnasium für Spätberufene, das ganz frommen Umschülern den Weg zu Abitur und Priestertum ebnet. Prominentester Absolvent dieser Erweckungsanstalt ist Bischof Mixa. Wenn seine Mitschüler, so erinnert sich einer seiner Lehr-Patres, gelegentlich auch der leiblichen Ertüchtigung frönten, suchte Walter Mixa in dieser Grotte seelische Ertüchtigung in marianischer Anbetung.
Ähnlich dogmatische Madonnenverehrung prägt jetzt auch den Priesternachwuchs in Eichstätt. Hinter den Mauern des Priesterseminars halten die Lehren der fundamentalistischen Glaubensgemeinschaft "Das Werk" Einzug, seit Bischof Mixa einen Priester aus dieser Gemeinschaft zum Seminarleiter berief; in Rom wurde das gern gesehen.
Karl Graml: "Das vermute ich ganz stark, dass er mit dieser Linie sich zeigen will als einer, der die Vorschriften Roms ganz knallhart durchsetzt."
Einem Papst, unter dessen Frauenbild sich die Welt vor allem eifrige Marien-Verehrung vorstellt, mag sich ein Bischof mit derlei Präferenzen durchaus für höhere Weihen empfehlen. Vorausgesetzt, er fällt nicht anderweitig auf. Ein ungestraftes ökumenisches Abendmahl aber wäre in Rom höchst auffällig.
Gotthold Hasenhüttl, Universität Saarbrücken: "Er will gleichschalten. Und das ist ja das System eines jeden totalitären Regimes: Gleichschalten, Gehorsam fordern, Befehle zu erteilen. Und dann sind das eben die gehorsamen Lämmer, die ihm eben bedenkenlos folgen."
Die Lämmer in der fränkischen Diaspora wollen ihrem Oberhirten nicht mehr bedenkenlos folgen. Mit einer Menschenkette vom katholischen zum evangelischen Gotteshaus demonstrieren sie praktizierte Ökumene, und niemand vermag mehr zu unterscheiden, ob der Applaus für Pfarrer Kroll evangelisch oder katholisch ist.
"Zurück zur römischen Lehre", verlangt der Bischof von Pfarrer Kroll. Was aber, wenn der seiner Überzeugung treu bleibt und nicht zu Kreuze kriecht?
Gotthold Hasenhüttl, Universität Saarbrücken: "Es ist eben ein Rückfall in eine unchristliche Grundhaltung, das würde ich sagen. Und die gibt es in allen Jahrhunderten. Man hat jetzt nicht mehr diese Mittel, die Scheiterhaufen anzuzünden, aber man kann sehr wohl Menschen maßregeln und auch beruflich kaputtmachen."