Ein Brief des Ultramontanus

Oberberg im August 2001

Hochzuverehrende, exzellente Eminenz,

„alles hat seine Zeit“ sagt Kohelet. Es gibt eine Zeit, Briefe zu schreiben und eine, es nicht zu tun. Das ist heute mein Abschiedsbrief an Sie, verehrte Eminenz. Es soll ein Rückblick werden auf die Zeit, da ich Sie als Erzbischof von Köln erlebte.

Das erste, was mir schon sehr früh auffiel, war Ihre „Bunkermentalität“. Von allen Seiten glauben Sie sich von Feinden umgeben, die es darauf anlegen, Sie in Ihrer Arbeit als Bischof zu beeinträchtigen. Entsprechend reagieren Sie: Sie schotten sich nach Außen ab. Lassen nur solche Leute an sich ran, die Ihrer Couleur sind. Das bedeutet, daß Sie dialogunfähig sind. Denn Menschen, die fragen, wollen ernstgenommen werden, auch wenn ihre Fragen kritisch sind. Wenn überhaupt führen sie ein „Gespräch“ nur mit solchen, die Ihren „Stallgeruch“ haben. Alle anderen bleiben außen vor. Eng mit dieser Problematik ist Ihr Autoritätsverständnis verbunden. Sie vertreten den Standpunkt: Ich bin der Erzbischof von Köln, wenn ich spreche, haben alle zu gehorchen. Meine Autorität kommt von meinem Amt. Autoritäten jedoch sind heute für die meisten Menschen fragwürdig. Es wird nur noch Autorität anerkannt, die erworben wurde. Deswegen mein guter Rat: Gehen Sie auf Ihre Kritiker zu und stellen Sie sich Ihren Fragen ohne Vorbehalte. Die meisten von ihnen wollen keineswegs die Kirche Gottes zerstören. Sie haben einmal gesagt, daß Sie vor Gott einmal Rechenschaft über Ihre Tätigkeit als Bischof ablegen müssen. Beunruhigt Sie es nicht, daß Sie viele gutwillige Christen nicht mehr erreichen, da sie dialogunfähig sind?

Bei aller Sorge über die gesellschaftliche Entwicklung in vielen Bereichen der Ethik und Moral sollten Sie nicht so undifferenziert darauf losschlagen. Sind Sie sich eigentlich bewußt, daß Sie die meisten Zeitgenossen nicht mehr erreichen? Diese haben sich längst von „Ihrer“ Kirche verabschiedet. Die Wenigen, die ein Wort der Ermutigung erwarten, werden durch Ihre „verbale Prügel“ noch verunsichert. Mit Drohungen und Verdammungen kann man Menschen nicht gewinnen. Diese Zeiten sind vorbei.

Sie führen in Ihren Predigten und Hirtenworte zwar immer die Worte Jesu in Ihrem Munde, aber in Ihrem praktischen Handeln als Bischof erkennt man nur die Paragraphen des Kirchenrechts. Vom Geist Jesu, der den „glimmenden Docht nicht auslöscht und das geknickte Rohr nicht bricht“, merkt man wenig. Von Ihren Priestern hört man: „Hast du Probleme, wende dich nicht an Kardinal Meisner, dann werden die Probleme erst richtig groß“.

Noch ein Wort zu Ihrer „offiziellen“ Sprache: Sie ist das Spiegelbild Ihrer Theologie. Ihre Sprache erinnert mich immer an meine Kindheit in den 30er/40er Jahren. Es fehlt weithin der Erfahrungsbezug zur Lebenswelt der heutigen Menschen. Man spürt richtig, daß die Entwicklung innerhalb der Theologie an Ihnen vorbeigegangen ist. Vielleicht auch deshalb Ihre „Bunkermentalität“.

Für mich sind Sie als Bischof ein „Auslaufmodell“. Sie sind in Sorge um die Kirche, wie Sie sagen. Ich bin es um die Menschen, die Ihre „Heimat“ verloren haben.

 

Es grüßt Sie in der Hoffnung auf den Geist, der weht, wo er will.

Ihr Ultramontanus

W. Mickiewicz