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"Aus Abwehrhaltung wurde massive Ausgrenzung"

Diözesangruppe "Wir sind Kirche" im zehnten Jahr ihres Bestehens / Walter Hürter im Interview mit dem Eichstaetter Kurier

Eichstätt (EK) Die Diözesangruppe "Wir sind Kirche" steht vor ihrem zehnten Geburtstag. Entstanden aus dem KirchenVolksBegehren des Jahres 1995 versucht die Gruppe mit ihrem Sprecher Walter Hürter (65) mit Aktionen und Vorträgen, mit Demonstrationen und in Gesprächen ihre Ziele umzusetzen. Der Erfolg allerdings ist bescheiden, wie selbst Hürter in einem Gespräch mit unserem Redakteur Hermann Redl zu erkennen gab. Dennoch hält er wie die Gruppe an ihren Zielen fest.

Seit wann existiert die Diözesangruppe Eichstätt?

Hürter: Die Gruppe wurde unmittelbar nach Ende der Unterschriftenaktion im Januar 1996 als Teil der bundesweiten KirchenVolksBewegung "Wir sind Kirche" gegründet. Wir befinden uns jetzt also im zehnten Jahr unseres Bestehens und wollen schon jetzt mit Aktionen auf unser Jubiläumsjahr hinweisen.

Wie lauten die Ziele und Forderungen von "Wir sind Kirche" und wieviele Menschen haben diese Forderungen unterschrieben?

Hürter: Aufbau einer geschwisterlichen Kirche, volle Gleichberechtigung der Frauen, freie Wahl zwischen zölibatärer und nichtzölibatärer Lebensform, positive Bewertung der Sexualität als wichtiger Teil des von Gott geschaffenen und bejahten Menschen, Frohbotschaft statt Drohbotschaft. Diese Punkte wurden von 1,8 Millionen Menschen, davon 1,5 Millionen Katholiken unterschrieben.

Von wie vielen davon aus dem Bistum Eichstätt?

Hürter: Das lässt sich nicht feststellen.

Was war das Besondere an dieser Aktion?

Hürter: In einer spontanen privaten Aktion, ohne amtskirchliche Unterstützung aber mit massiver amtskirchlicher Behinderung, meldeten sich innerhalb von nur acht Wochen so viele Gläubige, die die Reformanliegen unterschrieben. Sie hatten die Hoffnung, Bewegung im Sinne des II. Vatikanischen Konzils in eine erstarrte und immer mehr rückwärtsgewandte Kirche zu bringen.

Wie viele Mitglieder zählt die Diözesangruppe Eichstätt und was hat sie unternommen, dass es zu einer Umsetzung der Ziele kommt?

Hürter: Wir sind kein Verein, sondern eine Bewegung, die über keine festen Mitglieder verfügt. Wenn ich die Zahl der bei Aktionen und Veranstaltungen engagierten Interessierten zusammenrechne, komme ich auf etwa 300 "Mitglieder" im Bistum. Die Gruppe hat versucht, in Gesprächen mit Bischof, Vertretern der Bistumsleitung, Vertretern des Diözesanrats, Vertretern von Verbänden und vielen anderen Priestern und Laien die Anliegen zur Sprache zu bringen und zu diskutieren. Weiterhin versuchte sie, durch zwei bis drei Informationsveranstaltungen pro Jahr ihre Ziele zu thematisieren. Dabei legte sie ihren Schwerpunkt auf die fehlende Gleichberechtigung von Frauen in der Kirche und setzte sich für die Zulassung von Frauen zum Amt der Diakonin, Priesterin und Bischöfin ein. In "Lila-Stola"-Aktionen und mit einem großen Transparent "Wo sind die Frauen?" demonstrierten Frauen und Männer, vorwiegend nach Diakonen- und Priesterweihen, an verschiedenen Orten im Bistum für die Gleichberechtigung, insgesamt 15 Mal. Durch Mitarbeit im Bundesteam der KirchenVolksBewegung, bei Bundesversammlungen und in bundesweiten Arbeitsgruppen engagierten sich Vertreter unserer Diözesangruppe. Durch den Internetauftritt www.wir-sind-kirche.de/eichstaett und Pressekontakte bemüht sich die Gruppe um angemessene Öffentlichkeitsarbeit.

Welche Erfahrungen haben die Mitglieder der Diözesangruppe in den vergangenen Jahren gemacht?

Hürter: Obwohl zum Beispiel Bischof und auch Generalvikar anfangs erklärten, dass "einigen der Forderungen im Grundsatz durchaus zuzustimmen" sei, zeigte sich schon sehr bald, dass sie diese nicht benannten und auch nicht bereit waren, entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Einige wenige Gespräche mit Bischof und Vertretern der Bistumsleitung zeigten, dass kein Interesse an einem ernsthaften Dialog bestand. Im Gegenteil: Im Laufe der Jahre entwickelte sich aus einer anfänglichen Abwehrhaltung massive Ausgrenzung der Diözesangruppe. Der Bischof erklärte öffentlich: Die Gruppe stehe mit ihren Reformforderungen nicht mehr auf dem Boden der katholischen Kirche. Er sorgte dafür, dass ihre Vertreter nicht mehr zu den Vollversammlungen des Diözesanrates eingeladen wurden und reden durften. Er diffamierte sie öffentlich, indem er zum Beispiel behauptete, die Gruppe fordere seinen Rücktritt, und sie habe den Pfarrer von Großhabersdorf, Bernhard Kroll, und die Gemeinde im Zusammenhang mit dem Ökumenischen Kirchentag aufgehetzt. Öffentlich von Eichstätts Bischof Walter Mixa erklärte Gesprächsbereitschaft wird auf den "St. Nimmerleinstag" verschoben.

Und wie verhalten sich die Laiengremien?

Hürter: Bei den Kontakten mit Vertretern von Diözesanrat und Verbänden zeigten sich häufig Einschränkungen, die sich mit ihrer bischöflichen Anerkennung und der finanziellen Abhängigkeit von der Bistumsleitung erklären lassen. Außerdem beobachteten wir bei manchen Vertretern des Diözesanrats, dass sie sich als die alleinigen legitimierten Vertreter der Anliegen der Laien berufen fühlen, so als ob es außerhalb der Gremien "keine Konkurrenz" geben dürfte. Während sich immer wieder neu hinzukommende Mitglieder der KirchenVolksBewegung engagieren, ziehen sich nicht wenige jahrelang Engagierte, enttäuscht vom Verhalten der Amtskirche, vom Gemeindeleben und auch von einer Mitarbeit in der Diözesangruppe zurück. Menschen in beruflicher Abhängigkeit von der Amtskirche, aber auch kirchlich Distanzierte ermutigen unverändert stark die aktiven Mitglieder der Diözesangruppe, die Hoffnung auf Veränderungen nicht zu verlieren und wünschen ihnen einen "langen Atem".

Was hat die Diözesangruppe bisher erreicht?

Hürter: Die vielfältigen Bemühungen um Reformen im Sinne des KVB haben zu keinem konkret nachweisbaren positiven Ergebnis geführt. Dennoch ist es ihr gelungen, die Reformnotwendigkeit konkreter und bewusster zu machen. Die bisherige Dialogverweigerung des Bischofs ist öffentlich deutlich wahrgenommen worden und hat teilweise wenig reformfreudige Katholiken nachdenklich gemacht. Bei fast allen Kirchenoffiziellen wurde spürbar, wie stark die Angst vor Veränderungen bei dem Pontifikat des jetzigen Papstes sein muss. Verstärkt hat sich der Zusammenhalt der Gruppenmitglieder und die Einsicht zum gemeinsamen Handeln in finanzieller Unabhängigkeit von bischöflicher Macht.

Enttäuscht und frustriert über das Fehlen konkreter Erfolge?

Hürter: Im zehnten Jahr nach dem KirchenVolksBegehren erleben wir immer noch eine von Angst vor Veränderungen und vor Machtverlust geleitete Kirche. Die äußere Machtausübung der kirchlichen Hierarchie hat unter dem Pontifikat des jetzigen Papstes eine zeitgemäße Verfassung der Kirche verhindert. Ich bin fest davon überzeugt, dass sich der Reformstau auflösen wird und hoffe, dass die vielen resignierten Katholikinnen und Katholiken die Bemühungen der KirchenVolksBewegung für Reformen unterstützen. Die Auseinandersetzung mit der Amtskirche ist nötig und verlangt einen langen Atem. Ich bin persönlich durch manch unglaubliche Erfahrung ernüchtert. Dies und der Zusammenhalt innerhalb einer breiten Reformbewegung motivieren mich unverändert, zumal ich überzeugt bin ,dass die überwältigende Mehrheit des Kirchenvolks die Anliegen der Geschwisterlichkeit, Gleichberechtigung der Frauen, Freistellung des Zölibats und Frohbotschaft statt Drohbotschaft genauso sehen wie "Wir sind Kirche"

Wo liegt die Wurzel für Ihr oft doch auch aussichtslos erscheinendes Engagement?

Hürter: Als fast 65-jähriger Katholik, der in einer kinderreichen "gut katholischen" Familie aufgewachsen ist, Ministrant und Pfarrjugendleiter, Mitglied in einem Sachausschuss des Diözesanrats war, der die Zeit vor, während und nach dem II. Vatikanischen Konzil in guter Erinnerung hat, setze ich mich entschieden dafür ein, dass Katholikinnen und Katholiken als wieder mündige Christinnen und Christen ernst genommen werden. Mit meiner Frau und den zwei Töchtern erlebe ich seit etwa 30 Jahren, trotz erheblichen persönlichen Engagements, dass die Amtskirche immer weniger auf die sozialen und religiösen Bedürfnisse der Menschen eingeht. Sie fordert zum Beispiel außerhalb der Kirche Achtung der Menschrechte, verweigert diese innerhalb aber häufig zum Beispiel gegenüber Frauen und wieder verheirateten Geschiedenen. Kurz gesagt: Die Amtskirche dient zu wenig und herrscht zuviel. Ich bin deshalb fest davon überzeugt, dass durch die von uns geforderten Reformen die Kirche erheblich glaubwürdiger wird.