dpa Interview , 17. Mai 2000

Wir sind Kirche zum 80. Geburtstag von Johannes Paul II

 

Hamburg (dpa) - Christian Weisner, Mitinitiator der reformorientierten deutschen "Wir sind Kirche"-Bewegung", sieht die Tragik des Papstes im Widerspruch zwischen großer Offenheit nach außen und dem Ausbau eines zentralistischen Kontrollsystems in der Kirche. Weisner äußerte sich im dpa-Interview "Drei Fragen - Drei Antworten".

Frage: "Überwinder des Kommunismus, Versöhner mit dem Judentum, erster Medienpapst - welche Aspekte sind aus Ihrer Sicht die herausragenden Verdienste von Johannes Paul II.?"

Weisner: "Karol Wojtyla schätze ich als integre Persönlichkeit mit tiefer Frömmigkeit und großem Charisma. Im Verhältnis zu anderen Konfessionen und Religionen hat er historisch längst überfällige Schritte unternommen. Sein 'Mea Culpa' ist ein erster mutiger Schritt zur Aufarbeitung der dunklen Seiten der Kirchengeschichte, dem aber weitere folgen müssen. Sein Eintreten für die Menschenrechte, seine Warnungen vor den Risiken der Globalisierung und das Anprangern der wirtschaftlichen und sozialen Ungerechtigkeit sind ein dringend notwendiger Ausdruck der befreienden christlichen Botschaft in der heutigen Zeit. Seine Rolle bei der Überwindung des Kommunismus wird meines Erachtens überschätzt."

Frage: "Theologische "Maulkörbe", innerkirchlicher Reformstau - welche Berechtigung haben solche Vorwürfe an den Papst, oder sehen Sie andere Schwächen in der Amtsführung?"

Weisner: "Die Tragik dieses Papstes liegt im Widerspruch zwischen seiner großen Offenheit nach außen und dem während seines Pontifikats erfolgten Ausbau eines zentralistischen und rigiden Kontrollsystems in der eigenen Kirche. Sein Eintreten für die Gleichberechtigung der Frau ist unglaubwürdig, solange diese nicht in der eigenen Kirche praktiziert wird. Mit der versuchten Dogmatisierung des Verbots der Frauenordination hat er seinen Nachfolgern nur schwer überwindbare Hürden in den Weg gelegt. Von ideologischer Einseitigkeit zeugt das Zurückdrängen der am Zweiten Vatikanischen Konzil orientierten Theologien wie der Befreiungstheologie bei gleichzeitiger Förderung konservativer Gruppen wie Opus Dei. Durch seine Starrheit in der Auseinandersetzung um die Schwangerschaftskonfliktberatung hat er der Kirche in Deutschland einen lange nachwirkenden Schaden zugefügt."

Frage: "Welche Aufgabe ist Ihrer Ansicht nach die dringlichste, die der Papst mit Blick auf die Zukunft der Kirche in Angriff nehmen sollte?"

Weisner: "Die für das Jahr 2001 geplante Bischofssynode sollte genutzt werden, dem Bischofskollegium wieder mehr Kompetenz zu übertragen und damit auch das Papstamt von seiner übergroßen Verantwortung zu entlasten. Die Autonomie der Ortskirchen gegenüber dem Vatikan muss vor allem in pastoralen und theologischen Fragen respektiert werden: Soviel Freiheit wie möglich - soviel Einheit wie nötig. Damit das Papstamt nicht weiterhin ein Hindernis für die Ökumene darstellt, sollte eine Neubesinnung dieses Amtes erfolgen, zu der Johannes Paul II. selber aufgerufen hat. Wichtig ist auch die Rücknahme der 1996 erfolgten Änderung des Papstwahlverfahrens, damit das Kardinalskollegium einen von der großen Mehrheit getragenen Papst wählt. Die Einberufung eines neuen Konzils sollte Johannes Paul II. seinem Nachfolger überlassen."

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