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Einmal haben Sie miteinander gesprochen, der Bischof von Regensburg und der Professor für Wirtschaftsinformatik, am 15. März. Das heißt, Professor Johannes Grabmeier, damals noch Vorsitzender des Dekanatsrats Deggendorf-Plattling, hat eher einen Vortrag von Bischof Gerhard Ludwig Müller in Erinnerung: "Wir seien schuld, dass sein Amtsantritt in der Presse als Fehlstart dargestellt worden sei. Wir hätten von Anfang an gegen ihn gearbeitet." Wir - das ist die Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche", bei der Grabmeier Mitglied ist. Am 1.April war Grabmeier nicht mehr ehrenamtlicher Dekanatsratsvorsitzender - Bischof Müller hatte ihn abgesetzt: "Wir sind Kirche" richte sich "gegen das zur göttlichen Verfassung der Kirche gehörende Bischofsamt". Spätestens jetzt war offenbar, dass es im Bistum Regensburg seit dem Amtsantritt des Bischofs im November 2002 eine ganze Reihe von Konflikten gibt. Konflikte, die mehr sind als Streitigkeiten in der Provinz. Denn so ist noch kein Laienkatholik aus einem Wahlamt vertrieben worden, nur weil er dem Bischof nicht gefiel. Was die Frage aufwirft, wie unabhängig Laiengremien in der katholischen Kirche sein können - und ob ein Bischof gewählte Vertreter einfach absetzen kann, wenn sie aus seiner Sicht den Boden der Kirche verlassen haben. Beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hält man den Vorgang für derart bedenklich, dass Hans Joachim Meyer, der ZdK-Präsident, Bischof Müller in einem Brief "eindringlich" gebeten hat, "von einer solchen Vorgangsweise Abstand zu nehmen und bei Konflikten mit gewählten Laienrepräsentanten den Weg des Dialogs zu suchen". Auch, wenn das Verhältnis des ZdK zur Kirchenvolksbewegung "nicht frei von kritischer Spannung" sei - ihm, Meyer, sei keine Äußerung bekannt, die den Satz rechtfertige, "Wir sind Kirche" wolle eine "andere Kirche" etablieren. "Ein neuer Dyba" Dass zwischen der Regensburger "Wir- sind-Kirche"-Gruppe und Bischof Müller jemals Freundschaft herrschte, lässt sich nicht behaupten. Als Müller noch Dogmatik-Professor in München war, veröffentlichte er einen polemischen Text in der katholisch-konservativen Tagespost gegen alle, die sich für die Frauenordination einsetzen. Müller sei "ein neuer Dyba", schrieb daraufhin der Heidelberger Theologe Norbert Scholl zur Bischofs- Ernennung; der Text landete auf der Homepage von "Wir sind Kirche". Am Tag der Weihe standen fünf Kirchenvolks-Bewegte mit einem Transparent in einer Seitenstraße, was kaum eine machtvolle Demonstration war, aber wohl den Zorn des Hirten ebenso vergrößerte wie die Mahnwache am Tag des Prozesses gegen Pfarrer K. aus Georgenberg. K. wird vorgeworfen, Kinder sexuell missbraucht zu haben; die Eltern der Opfer fühlen sich vom Bistum im Stich gelassen. Letzter Anlass für den bischöflichen Keulenschlag war ausgerechnet ein Lob: Müller hatte vor dem Diözesanrat die Möglichkeit angedeutet, in bestimmten Grenzfällen könne es möglich sein, wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zuzulassen - ohne dass das generelle Verbot angetastet werde. Ein richtiger Schritt, fand die Kirchenvolksbewegung, woraufhin Müller seinen theologischen Adlatus Christian Schaller einen Rundumschlag formulieren ließ: Das Lob sei unehrlich; "Wir sind Kirche" blockiere eine "Neuevangelisierung der Diözese" und lasse "positive Stellungnahmen" zu den" innovativen Ansätzen des neuen Bischofs" vermissen. Der Fall K. werde "missbraucht, um verdiente Priester der Diözese öffentlich zu desavouieren". Zehn Tage später war Grabmeier abgesetzt. Es sind vor allem Stil und Begründung, die über das Bistum hinaus Laienkatholiken erschrecken. Grabmeier ist zwar Mitglied der Kirchenvolksbewegung, seine Frau Sprecherin im Bistum Regensburg - aber ihm wird weithin bestätigt, zwischen dem Amt und der Kirchenvolksbewegung unterschieden zu haben; an der Mini-Demo zur Bischofsweihe hat er gar nicht teilgenommen. Gibt es also eine Art Gruppenhaft für Mitglieder bestimmter Vereinigungen? Die kirchenrechtliche Begründung des Bistums legt das nahe. Sie lautet: Der Dekanatsrat ist vom Bischof eingesetzt; entsprechend kann der Bischof auch Vorsitzende absetzen. Und im Konfliktfall hat das Kirchenrecht Vorrang vor der Satzung des Rates; dem Kirchenrecht zufolge hat ein Bischof "die Unversehrtheit und Einheit der Glaubenslehre mit Mitteln, die ihm geeignet scheinen, in fester Haltung zu schützen". Meinungsäußerungen gewählter Laien hätten "in Ehrfurcht gegenüber den Hirten "zu geschehen. Auch wenn die Regensburger Kirchenrechtlerin Sabine Demel die Auffassung vertritt, des Bischofs Vorgehen sei bedenklich, weil es nicht formgerecht erfolgt und der Betroffene nicht angehört worden sei - es gibt in der katholischen Kirche keine Verwaltungsgerichte, die dies prüfen könnten. Also gilt die bischöfliche Rechtsposition, die jeden gewählten Laien, der sich einmal für die Frauenordination oder gegen den Pflichtzölibat geäußert hat, erzittern lassen müsste, würde Müllers Vorgehen Schule machen. Zur Verschärfung des Konflikts trägt die Art bei, wie Müller im Fall Grabmeier vorgegangen ist. Es gibt zwei Pressemitteilungen, die am 2.April von der Entlassung künden. In der ersten heißt es: "Herr Grabmeier hat, nach Auskunft des Vorsitzenden des Katholikenrates, keine Gelegenheit ausgelassen, die verdienstvolle Arbeit des Gremiums zu desavouieren, und das Ansehen des Bischofs und seines Amtes herabzusetzen." Zwei Stunden später ist die Kritik des Diözesanratsvorsitzenden Franz Spichtiger entscheidend abgeschwächt: "Spichtiger bedauert den gravierenden Mangel an Loyalität, den das Mitglied Grabmeier dem Bischof gegenüber ausgedrückt hat." "Ich will nichts sagen", sagt Spichtinger dazu. Weil die Mitteilungen ohne Rücksprache, vielleicht sogar gegen seinen Willen formuliert wurden? Keine Antwort. Spichtiger ist seit dem 3.April krank geschrieben, dem Tag, an dem der Diözesanrat die Causa Grabmeier diskutieren sollte. Eine offizielle Stellungnahme des Gremiums gibt es bis heute nicht. "Mittlerweile herrscht ein Klima der Angst", sagen inzwischen sogar gestandene Pfarrer des Bistums, denen der Kulturkampf des Bischofs unheimlich wird. Ganz oben auf der Liste der Gegner stehen die innerkatholischen Kritiker von der Kirchenvolksbewegung - gleich danach kommen die Medien, im Jargon der Ordinariatsmitteilungen auch "Organe der Presse" genannt, als seien sie Stimmen einer geheimnisvollen Macht im Hintergrund. Kritik am Bischof gilt als Kirchenfeindschaft - angeblich soll Müller schon der Mittelbayerischen Zeitung gedroht haben, die Pfarrer zur Abo-Kündigung aufzurufen, sollte die Berichterstattung so unbotmäßig bleiben. In der Erklärung gegen "Wir sind Kirche" findet sich ein verräterischer Satz: "Wir bedauern es sehr, dass sogar die von den Bischöfen getragene Katholische Nachrichtenagentur (KNA) Meinungen der Organisation ,Wir sind Kirche' verbreitet, die das Ansehen der Kirche in der Öffentlichkeit beschädigen." Abgesehen davon, dass die KNA kein bischöfliches Eigentum ist, ist dies schlicht ein Aufruf zur Zensur. Verhärtet sind auch die Fronten im Fall des Pfarrers K.: Ein Versöhnungsgespräch endete ergebnislos, weil, so die Darstellung der Eltern, Generalvikar Wilhelm Gegenfurtner ihnen eine Mitschuld vorwarf - sie hätten eher den Missbrauch anzeigen müssen. Talent zur Zuspitzung Selbst Menschen, die Müller nicht erst seit gestern kennen, wundern sich, was in den freundlichen, wenn auch etwas abgehobenen Münchner Professor gefahren ist. War er nicht ein beliebter Seelsorger in München- Obermenzing? Verbindet ihn nicht eine Freundschaft mit Gustavo Gutierrez, dem "Vater der Befreiungstheologie"? Galt er nicht bisher zwar als konservativ, aber auch als viel zu intelligent, um den rechten Hardliner zu geben, wie es der verstorbene Fuldaer Bischof Johannes Dyba mit großem Vergnügen tat? Jetzt kommt Müllers Talent zur Zuspitzung zum Tragen, sagen die einen - da ist ein Intellektueller auf den Bischofsstuhl gekommen, der nun seine Prinzipien in kompromissloser Schärfe durchziehen will. Oder, wie einer formuliert, der ihn aus Münchner Tagen kennt: "Intelligenz und Klugheit können zweierlei sein." Andere vermuten, dass der wenig verwaltungserfahrene Bischof an die falschen Berater geraten sei - und nennen den Generalvikar Wilhelm Gegenfurtner, der sehr darauf achtet, dass die Katholiken des Bistums die kirchliche Moral und Disziplin einhalten. Eigentlich stünde zu erwarten, dass der konservative Katholizismus geschlossen in Jubel über den Regensburger Bischof ausgebrochen ist. Doch wer die Internet-Seiten des treukatholischen kath.web durchstöbert, wird überrascht sein: Es hagelt Kritik für Müllers Überlegungen zum Kommunionsempfang geschiedener Wiederverheirateter. "Da geht ein Bischof schon wieder den schnellen und leichten Weg des Beliebtwerdens", klagt ein "Alexius" und urteilt: "Immer wieder ist festzustellen, dass Theologen ohne große kirchenrechtliche Kompetenz wenig Ahnung haben, wie Kirchengerichte arbeiten. "Man müsste nun in Rom überlegen, wozu man den Abweichler Müller noch einlade. Sowas hätte sich "Wir sind Kirche" mal trauen sollen. Nun soll Johannes Grabmeier sich entschuldigen - "für alle die Kirche und das Bischofsamt beschädigenden Äußerungen, die mit Billigung und Beteiligung von Herr Dr. Grabmeier seit der Ernennung des Bischofs" gefallen seien. Eine eigentümliche Selbstbezichtigungs-Logik. Grabmeier will "notfalls bis nach Rom" gehen, "weil ich mich meiner Kirche sehr verbunden fühle und hier ein Unrecht geschieht". |
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