11.7.2014 - Süddeutsche Zeitung

Alte Drähte funktionieren noch

VON MATTHIAS DROBINSKI

Die Katholiken in und um Köln herum hätte es schlimmer treffen können: Kardinal Rainer Maria Woelki wird ihr neuer Erzbischof. Der Mann kennt Gegend und Mentalität, er war dort Priester und Weihbischof. Seit er vor drei Jahren nach Berlin ging, hat er sich von seinem konservativen Förderer emanzipiert, dem vorigen Kölner Kardinal Joachim Meisner; manchmal wirkte er wie jemand, der sehr spät von zu Hause ausgezogen ist und nun staunt, wie bunt und weit die Welt ist. In Berlin, wo Katholiken eine kleine Minderheit sind, hat er sich Respekt erarbeitet, mit linkisch-authentischem Auftreten und klarer Agenda. Er, der theologisch Konservative, hat sich mit Schwulen und Lesben getroffen, plädiert für einen anderen Umgang mit Geschiedenen. Und er ist ins Arbeiterviertel im Wedding gezogen. Kein Wunder, dass dies dem Papst gefällt, und er Woelki nun Deutschlands reichstes Bistum anvertraut.

Trotzdem: Franziskus hat den Kölnern ihren neuen Erzbischof vor die Nase gesetzt. Er hat die Wünsche des Domkapitels missachtet. Dieses darf dem Preußenkonkordat zufolge Vorschläge an den Papst schicken, der schickt dann eine geheime Dreierliste zurück, aus dem das Führungsgremium den neuen Bischof wählt. Auf der Liste des Domkapitels stand Woelki nicht – ob nun aus guten oder aus weniger guten Gründen. Der Papst muss dessen Vorschläge nicht beachten; ein Scherz sagt, das Domkapitel habe meist die Wahl zwischen einem Japaner, einem Kongolesen und dem, der es werden solle. Aber ein Affront war eine Dreierliste mit Woelki schon. Papst Franziskus hat angekündigt, die Ortskirchen gegen den römischen Zentralismus stärken zu wollen. Und nun missachtet er sie in Deutschland schon zum zweiten Mal. Auch Stephan Burger, der neue Freiburger Erzbischof, stand nicht auf der Liste des dortigen Domkapitels.

Auch in Köln setzt der Papst nun einen Bischof seiner Wahl durch

Der eine Grund dafür mag beim Papst selber liegen. Franziskus, der als Erzbischof von Buenos Aires einigen Streit mit Rom hatte, mag sich mehr Eigenständigkeit für den einzelnen Bischof wünschen. Ob er aber das Mitspracherecht des Domkapitels bei einer Bischofswahl gut findet, das es so nur in Deutschland gibt, ist weniger sicher. Der andere Grund allerdings wiegt schwerer: Bei der Besetzung der wichtigen hiesigen Bischofsstühle funktionieren offenbar die Drähte noch, die es zu Papst Benedikts Zeit zwischen Köln und der Bischofskongregation in Rom gab: Deren Chef, Kardinal Marc Ouellet, ist ein Vertrauter des Münsteraner Bischofs Felix Genn, der wiederum zum emeritierten Kardinal Meisner guten Kontakt hat.

Zu viel Kirchenreform gilt ihnen als ungesund. Und Erzbischöfe wie Burger und Woelki gelten ihnen als Versicherung, dass es davon auch nicht zu viel gibt. Beide sind persönlich integer und teilen viele der Anliegen des Papstes, wenn es um Flüchtlinge oder soziale Gerechtigkeit geht. Doch für alle, die von der großen Veränderung innerhalb der katholischen Kirche träumen, könnte es einen ernüchternden Morgen geben.

MATTHIAS DROBINSKI

Zuletzt geändert am 11­.07.2014