23.10.2011 - Publik-Forum

Absturz eines Papstfreundes

Sodalitium Christianae Vitae: Die geistliche Kampftruppe gegen die Kirche der Armen versinkt in einem sexuellen Gewaltskandal

von Thomas Seiterich

Es kommt nicht oft vor, dass der Vatikan einen bereits begonnenen Seligsprechungsprozess stoppt. Dieses Jahr ist das geschehen. Germán Doig Klinge, der im Februar 2001 im Alter von 44 Jahren verstorbene Mitgründer der von Papst Benedikt XVI. und vielen Konservativen in der römischen Kurie bislang hoch geschätzten, internationalen Bewegung Sodalicio de Vida Cristiana (Kameradschaft des christlichen Lebens), wird nicht zur Ehre der Altäre erhoben. Eine posthume Karriere als Seliger und später als Heiliger bleibt dem theologischen Hardliner Doig versperrt – denn zu schlagend sind die im Vatikan geprüften Beweise für sein verborgenes »Zweitleben« mit Gewalttaten an Abhängigen.

Jahrelang, im Zeitraum von 1980 bis 1990, hatte der »geweihte Laie« Doig unter Missbrauch seiner Autorität als »Generalvikar« der Sodalicio-Bewegung bei Besinnungstagen »Nacktmeditationen« veranstaltet und mindestens drei junge Männer sexuell missbraucht. Drei aussagewilligen Opfern wurde Anonymität zugesichert, denn namentlich bekannte Missbrauchsopfer genießen in der Macho-geprägten Gesellschaft Perus keinen Schutz. Über Details des Missbrauchs berichten weder Perus Medien, noch der Vatikan und schon gar nicht die Leitung des Sodalicio.

Das »Sodalitium Vitae Christianae« (SCV), wie es lateinisch heißt, wurde 1971 in Lima auf Initiative des Peruaners Luis Fernando Figari gegründet. German Doig (1957-2001) war Mitgründer. Das SCV wuchs rasch. Die straff geführte Laienbewegung fand kirchenrechtliche Anerkennung zunächst durch das Erzbistum Lima, später dann durch Papst Johannes Paul II. Es entwickelte sich zu einer auf den Papst fixierten neo-konservativen Laienbewegung. »Bewerber«, »Kandidat«, »Trainee« lauten die Stufen, die ein Sodale durchläuft, bevor er zum »geweihten Laien« aufsteigt. Die Truppe ist militant, im Innenleben autoritär und nach außen geheimniskrämerisch. Exakt solche Strukturen fördern Missbrauch.

In dem vom Vatikan in Peru, dem früheren Schwerpunktland der Befreiungstheologie, seit Ende der 1970er-Jahre inszenierten Kirchenkampf bewährt sich das Sodalicio (SVC) als lärmige Sturmtruppe gegen die Kirche der Armen. Während das elitäre Opus Dei unter dem Kardinal von Lima, Juan Luis Cipriani, die Fäden zieht, heizen Tausende Sodalicio-Aktivisten die örtlichen Konflikte in den Pfarreien an.

Das kritische Magazin Diario16, Journalisten wie Pedro Salinas und Blogger wie José Martinez de Velasco zerren den Fall Doig ans Licht einer kleinen Öffentlichkeit. Sie vergleichen den Fall Doig mit dem Sturz des Gründers der Legionäre Christi (LC), Marcial Maciel. Dieser wurde 2006, kurz nach dem Tod seines guten Freundes Papst Wojtyla, zum Abschied gezwungen. Nur »angesichts des hohen Alters« verzichtete die vatikanische Glaubenskongregation damals auf einen Prozess. Sie verurteilte Maciel zu Klosterhaft. Denn Maciel hatte laut Radio Vatikan junge Seminaristen missbraucht und ihnen anschließend in der Beichte die Absolution für die gemeinsam begangenen sexuellen Handlungen erteilt. Ferner bestätigte die Glaubenskongregation uneheliche Kinder Maciels von mindestens zwei Frauen.

Als dieser Vergleich und die Fakten über Doig in der Öffentlichkeit waren, erklärte die Leitung des Sodalicio, der Seligsprechungskandidat »Apostel« Doig gelte wegen seiner sexuellen Vergehen nun nicht mehr als »Vorbild«. Inzwischen legt in Rom der Pallotinerpater Gonzalo Len seitens der Kongregation für die Seligsprechungen nach: »Germán Doig verriet den Herrn, indem er ein Doppelleben führte.« »Drei schwerste Vergehen« lasteten auf dem Sodalicio-Mitgründer: »Deshalb haben wir die prozessuale Prüfung, ob der Kandidat ein vorbildliches Leben führte, beendet.«

Unter den Zeugentexten, die Doig belasten, finden sich auch Anklagen gegen Luis Figari, der »aus Gesundheitsgründen« auf Druck aus Rom als Sodalicio-Generalsuperior zurücktrat. Er wird in Zusammenhang mit der Verschleppung von Jugendlichen aus Familien gebracht. Ferner pflege Figari, der sich als »Soldat« der päpstlich geförderten, gegen die Befreiungstheologie kämpfenden »Theologie der Versöhnung« versteht, Kontakte zu Rechtsextremen in Spanien, Brasilien und anderen Staaten.

Außerdem stecken Sodalicio-Verantwortliche in Peru in einem Skandal um Kinderpornografie im Internet, so berichtet ein ehemaliger Sodalicio-Oberer. Juristisch sei der Fall noch nicht abgeschlossen. Nach Jahrzehnten der Mitgliedschaft ist der Zeuge nun aus der »Kameradschaft des christlichen Lebens« ausgestiegen. Er lebt mittlerweile in Deutschland, in Furcht vor der Rache der Sodalicio-Aktivisten.

Im Internet finden sich entlarvende Fotos. Sie zeigen Papst Wojtyla im innigen Gespräch mit Germán Doig. Wen wundert’s? Germán Doigs neokonservatives Movimiento produziert viele Jungpriester und wirft sich für Rom gehorsam in das innerkirchliche Getümmel.

Zuletzt geändert am 27­.10.2011