14.7.2014 - Konradsblatt

Zur Diskussion: eine neue Synode?

Von Claudia Lücking-Michel MdB

Der „Franziskus“-Effekt hieß es auf dem Katholikentag in Regensburg immer dann, wenn es offene Debatten und Signale für Aufbrüche gab. Es ist gut, dass wir diesen Effekt haben, doch als mündige Gläubige dürfen wie eines nicht vergessen: Jede und jeder von uns ist gefordert, die erlösende und befreiende Botschaft Jesu Christi zu vermitteln.

Überzeugung und Bindungskräfte hängen in Deutschland 2014 nicht mehr automatisch an kirchlichen Institutionen und Lehrbotschaften. Autorität und Glaubwürdigkeit kommen heutzutage nur noch da zu Stande, wo Argumente gehört werden und wo authentische und überzeugende Botschafter auf Menschen treffen, die sich in aller Freiheit der Botschaft zu oder von der Kirche abwenden. Diese grundsätzliche Autonomie der Menschen müssen wir ernst nehmen. Sie ist nicht ein „Problem“ für die kirchliche Verkündigung, sondern deren Bedingung und Chance. Doch nur eine Kirche, die in ihrem Innern dialogbereit und dialogfähig ist, ist es auch in ihrem Umgang mit der Welt – und umgekehrt.

In beruflichen, gesellschaftlichen und privaten Zusammenhängen wird von uns Christen Mündigkeit, Eigenständigkeit und Selbstverantwortung erwartet. Im Raum der Kirche erfahren wir uns aber oft genug als Objekte einer Leitung und Belehrung, auf die wir keinerlei Einfluss haben und die nicht zu Gesprächen bereit ist. Als ob es die Lehre vom Glaubenssinn aller Christen nicht gäbe und den Auftrag auch an die so genannten „Laien“, sprich die „Mitglieder des Volkes Gottes“, in der Welt und in der Kirche Verantwortung zu übernehmen.

Das Zweite Vatikanum führte dazu, dass die Kirche ihr Selbstbild als pyramidal strukturiertes Sozialgebilde zu korrigieren hatte und wie in altkirchlicher Zeit begann, sich wieder als Volk Gottes gemeinsam auf dem Weg zu sehen. „Gemeinsam auf dem Weg“, daher kommt der griechische Begriff „syn-odos“. Wenn wir in diesem sehr grundsätzlichen Sinn reden, kann es gar nicht anders sein, als dass der bundesweite Dialogprozess, der dankenswerterweise im Herbst 2010 begonnen hat, „synodal“ geführt wird. Dieser Prozess hat mittlerweile schon einige Runden hinter sich und sein offizielles Ende kommt langsam in Sicht.

„Unsere Hoffnung“ – so lautet der Titel des Papiers der Würzburger Synode. Er ist nicht so gemeint, dass wir auf die Synode als solche unsere ganze Hoffnung setzen sollen. Aber immerhin weckt dieser Text die Erinnerung daran, dass es eine Zeit und eine Phase gab, in der so etwas möglich war: Eine bundesweite Synode mit Laienvertretern und Bischöfen als Teilnehmern; mit einer verbindlichen Geschäftsordnung; mit manch offener, harter Auseinandersetzung zur Sache, aber vor allem mit der klaren Absprache, dass alle Ortsbischöfe die Ergebnisse jeweils für ihr Bistum beschließen und damit zu ihrem Recht verhelfen. Wow!

Davon sind wir heute weit entfernt! Doch nach so viel Dialog-, Gesprächs- und sonstigen Prozessen ist es jetzt an der Zeit „Würzburg II“ zu fordern: eine bundesweite Synode, mit Arbeitsformen, die Gleiches leisten und vom partizipativen Anspruch nicht hinter dem Vorgängermodell von vor 40 Jahren zurückbleiben.

Seit dem Apostelkonzil, das die Stellung der Heidenchristen so gar nicht im Sinne des Establishments der jungen Kirche regelte, kam in der Kirchengeschichte schon manches anders, als die Verantwortlichen gedacht und geplant hatten. Auch vor dem Zweiten Vatikanum erschien vieles unmöglich, was dann durch das Konzil umgesetzt wurde. Viele der Reformen aber waren immerhin vorbereitet: Die neue Liturgie wurde nicht nur auf Burg Rothenfels schon vorher gefeiert und eingeübt. Männer, die sich dazu berufen fühlten, waren schon für eine Weihe als Ständiger Diakon vorbereitet. Diente also die Würzburger Synode vor 40 Jahren dazu, die Beschlüsse des Zweiten Vatikanums für Deutschland nachzubereiten, könnte Würzburg II in diesem Sinne manches vorbereiten. Christliche Tradition in ihrer bisherigen Auslegung ist nicht schon das letzte Wort.

Zugestanden: Unsere Kirche ist keine Demokratie – aber auch kein absolutistischer Staat. Souverän ist nicht das Volk – aber auch nicht die Hierarchie, sondern Christus. Es geht nicht darum, das Amt durch synodale Strukturen zu ersetzen, wohl aber, es zu ergänzen.

Wann? Jedenfalls nicht erst wieder in 40 Jahren. Um der Menschen willen sollten wir heute die nötigen Schritte einleiten und Hoffnungszeichen setzen, dass ein Miteinander gewollt ist im Sinne einer gemeinsam getragenen Verantwortung. Einen Tag bevor in der DDR die Mauer fiel, hätte keiner sagen können, dass es am nächsten Tag schon so weit ist. Auch bei uns gibt es noch einige Mauern, die hoffentlich eines nicht zu fernen Tages fallen.

Wie geht es weiter nach dem Ende des Dialogprozesses? Eine Kirche ohne Dialog? Die wird es nicht geben! Umgekehrt: Dialog ist der einzige Weg in die Zukunft. Doch dieser Dialog darf nicht im unverbindlichen Klein-Klein, bestenfalls bistumsweiter Prozesse steckenbleiben. Unsere Hoffnung – eine neue Synode in Deutschland!

Die Autorin ist Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und Mitglied des Deutschen Bundestages

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Zuletzt geändert am 10­.09.2014