an das "Konradsblatt" Erzdiözese Freiburg

„Viri probati“

Unser Erzbischof hat in seinem ersten Interview als neuer Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz auch die Zölibatsfrage ins Gespräch gebracht. Damit hat er nicht nur eine gehörige Portion Mut, sondern auch hohes pastorales Verantwortungsbewusstsein bewiesen. Wie nicht anders zu erwarten, opponierten sofort einige deutsche Bischöfe (Marx, München, und Müller, Regensburg) mit der Behauptung, dazu sei „schon alles gesagt“. Ist aber auch schon alles getan?

Seit dem II. Vatikanischen Konzil (1962-1965) vergeht kaum ein Jahr, in dem nicht weltweit über den zunehmenden, immer bedrohlicher werdenden Priestermangel Klage geführt wird. Und mehr oder weniger deutlich wird dabei stets von einzelnen Bischöfen oder ganzen Bischofskonferenzen die Forderung nach einer Überprüfung der Zölibatsverpflichtung für Diözesanpriester erhoben. Auch die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland (1971-1975) hat dieses Problem eingehend erörtert und ausdrücklich anerkannt, „dass außerordentliche pastorale Notsituationen die Weihe von in Ehe und Beruf bewährten Männern erfordern können" (Pastorale Dienste und Ämter, 5.4.6). Eine solche Notsituation ist längst gegeben. Nicht nur in Deutschland.

In den letzten Jahrzehnten haben die Päpste vor allem in den Fällen von Übertritten nichtkatholischer Amtsträger die Ordination Verheirateter gestattet. Mit der (Wieder-) Einführung des ständigen Diakonats auch für verheiratete Männer hat die Kirche in gewissem Maße Flexibilität gezeigt. Auf Dauer wird Rom an einer Revision der Zölibatsverpflichtung nicht vorbeikommen. Das wird sicher nicht schlagartig und gleich für die gesamte Kirche bindend geschehen.

So könnte der für die Änderung allein zuständige Bischof von Rom, Benedikt XVI., den Diözesan-Bischöfen bzw. den nationalen Bischofskonferenzen - ggf. „ad experimentum“ - eine entsprechende Befugnis erteilen, die Ordination von „in Ehe und Beruf bewährten Männern“ vorzunehmen. Immerhin hatte der heutige Papst 1970 bei einer Ansprache im Bayerischen Rundfunk zur „Vision Kirche 2000“ gesagt: „Sie wird auch gewiss neue Formen des Amtes kennen und bewährte Christen, die im Beruf stehen, zu Priestern weihen. In vielen kleineren Gemeinden bzw. in zusammengehörigen sozialen Gruppen wird die normale Seelsorge auf diese Weise erfüllt werden. Daneben wird der hauptamtliche Priester wie bisher unentbehrlich sein.“ Als Papst hätte Josef Ratzinger jetzt die Gelegenheit, seinen Worten Taten folgen zu lassen.

Wegen der zu erwartenden Irritationen bei Priestern und Gläubigen wird dazu eine längere Übergangsphase erforderlich sein, in der eine intensive Vorbereitungs- und Informationsarbeit zu leisten ist. Von allen Betroffenen wird peinlich darauf zu achten sein, dass weder die verheirateten noch die unverheirateten Priester von der jeweils anderen Seite diskriminiert oder als Ordinierte zweiter Klasse abqualifiziert werden. Eine gänzliche Aufgabe der Zölibats-Verpflichtung ist nicht anzustreben, weil die Lebensform des unverheirateten Priesters in der Tradition der Kirche einen hohen geistlichen Wert darstellt, auf den nicht einfach verzichtet werden sollte.

Norbert Scholl, Wilhelmsfeld

Zuletzt geändert am 05­.03.2008