11.9.2007 - Leipziger Volkszeitung

Rechtspsychologe: Keine Heilung von Pädophilen - Nur Kontrolle

(zum Fall des getöteten neunjährigen Mitjas aus Leipzig)

Wiesbaden/Leipzig. Sexualstraftäter mit pädophilen Neigungen sind nach Auffassung des Wiesbadener Rechtspsychologen Rudolf Egg nicht zu heilen. „Die Zuneigung zu Kindern ist eine dauerhafte sexuelle Störung. Diese gibt sich nicht von selbst und lässt sich auch nicht mit einer Therapie beseitigen“, sagte der Direktor der Kriminologischen Zentralstelle (KrimZ). „Durch eine Behandlung können wir die Abweichung höchstens unter Kontrolle bekommen“, sagte Egg. Die Rückfallquote von Sexualstraftätern liegt nach seinen Angaben bei etwa 20 Prozent. Die Zentralstelle hat die Rückfälligkeit anhand von knapp 780 Personen analysiert, die seit 1987 wegen eines Sexualdeliktes verurteilt wurden.

„Das Problematische ist, dass sich die pädophile Neigung in der Regel über die Jahre hinweg verstärkt“, sagte Egg. „So zynisch es klingen mag: Je länger die Vorgeschichte des Täters ist, desto sicherer lässt sich die Gefährlichkeit feststellen.“ Ein Ersttäter bringe in der Regel kein Kind um. „Ein Verbrechen wie im Fall des neunjährigen Mitjas ist das Delikt eines Rückfälligen“, erklärte der 58-Jährige. „Da schlägt eine Menge Planung und Überlegung durch. Das ist zumeist schon vorher ausgedacht und versucht worden.“ Der Versuch sei häufig gescheitert und habe strafrechtliche Konsequenzen gehabt.

Durch diese Entwicklung entstehe in der Öffentlichkeit der Eindruck, dass die Gesellschaft unzureichend vor Sexualstraftäter geschützt werde. „Hinzu kommt die mediale Aufmerksamkeit. Die Statistiken belegen, dass es keine Zunahme der Sexualstraftaten gibt, sondern eher eine Abnahme. Durch die Präsenz in den Medien entsteht aber ein anderes Bild“, erklärte Egg. „Dann wird der Ruf nach einem dauerhaften Wegsperren laut und Politiker begegnen dem Bedürfnis nach Sicherheit mit populistischen Forderungen“, kritisierte er: „Es gibt aber keine hundertprozentige Sicherheit. Es bleibt ein Risiko.“

Gutachter könnten nur nach bestem Wissen und Gewissen sowie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Erkenntnissen Prognosen zur Gefährlichkeit eines Straftäters abgeben. Es bleibe das Risiko, dass man etwas übersieht. „Wir können weder in die Zukunft noch in die Köpfe der Täter blicken“, betonte er. Gefahrenprognosen seien nicht über längere Zeiträume möglich. „Eine langfristige Prognose schon bei einer ersten Auffälligkeit zu geben, würde an Hellseherei grenzen.“

dpa

Zuletzt geändert am 11­.09.2007