28.9.2022 - KNA

Zusammenfassung Bischofskonferenz stellt sich im Kampf gegen Missbrauch neu auf

Der Skandal um den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen durch Geistliche hat die Glaubwürdigkeit der katholischen Kirche schwer beschädigt. Manche sprechen von einer Kernschmelze. Die Deutsche Bischofskonferenz hat jetzt einen Beschluss gefasst, der Folgen haben dürfte.

Fulda (KNA) Die katholische Kirche in Deutschland will mit Hilfe unabhängiger Experten den sexuellen Missbrauch an Kindern besser aufklären und bekämpfen. Der neue Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, der Aachener Bischof Helmut Dieser, will zudem weitere Betroene ermutigen, sich zu melden. Neben der von ihm geleiteten bischöflichen Fachgruppe und dem Betroenenbeirat der Bischofskonferenz soll ein neuer Expertenrat die Aufarbeitung vorantreiben.

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann gab nach zwölf Jahren das Amt des Missbrauchsbeauftragten ab. Er bedauere, dass die Kirche den Missbrauchsskandal nicht schon längst entschlossener aufgearbeitet habe, sagte Ackermann am Mittwoch in Fulda. Zu lange seien die Bischöfe davon ausgegangen, dass es sich nur um Einzelfälle handele. Bischof Dieser zeigte sich oen für eine deutschlandweite
Studie zur sexualisierten Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Dabei dürfe es aber nicht allein um Missbrauch in den Kirchen gehen, sagte er bei der Vollversammlung der Bischofskonferenz. Der Fokus kann jetzt nicht mehr weiter immer nur bei uns sein. Menschen in anderen Bereichen sind genauso betroen. Dort guckt scheinbar immer noch keiner genauer hin oder zu wenig.

Die SPD im Bundestag hatte zuvor eine neue, einheitliche Missbrauchsstudie der katholischen Kirche in Deutschland gefordert. Den bisherigen Weg, dass jedes Bistum seine eigene Studie veröentliche, halte er für verrückt, sagte der religionspolitische Sprecher der Fraktion, Lars Castellucci, am Montag dem WDR. Die Unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung für sexuellen Kindesmissbrauch,
Kerstin Claus, hatte am Dienstag auf strukturelle Probleme im Spitzen- und Breitensport hingewiesen, die sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche begünstigten.

Der Kampf gegen sexuellen Missbrauch ist nach Ansicht Diesers auch nach mehr als 20 Jahren noch nicht überall
in der katholischen Kirche angekommen. In einem KNAInterview sagte er: Das Bewusstsein, wie zerstörend dieses Thema ist, macht vielen Angst, und sie riskieren nicht, das oen anzugehen, weil sie glauben, dass dann von der Kirche eventuell nichts mehr übrig bleibt. Der Aachener Bischof äußerte sich auch zu den sieben Bistümern in Deutschland, die noch keine Aufarbeitungskommission eingerichtet haben: Meines Wissens stehen auch diese Bistümer im Prozess der Konstituierung. Alle sind in der Picht und müssen in die Pötte kommen.

Das Thema Missbrauch sei giftig für die Kirche und die Gesellschaft, betonte Dieser bei einer Pressekonferenz. Im sozialpsychologischen Sinne ist es so giftig wie Radioaktivität. Es wirkt unendlich nach und zerstört soziale Beziehungen.  Daher gebe es einen Grundreex des Verschweigens, sagte der Bischof und mahnte: Es ist so, dass die Kirche daran kaputtgehen kann.

Das Aktionsbündnis der Betroeneninitiativen äußerte unterdessen massive Kritik an der Aufarbeitung in der katholischen Kirche. Es forderte ein Eingreifen der Politik. Eine Wahrheitskommission sei überfällig. Auch ein neuer Beauftragter und neue Gremien werden nichts ändern, erklärte der Sprecher des Eckigen Tisches, Matthias Katsch. Von der Kirche erwarten wir nichts mehr. Das gilt auch für jene reformerisch
orientierten Gläubigen, die sich stets betroen zeigten, und sich auch bemüht haben. Diese Kirche hat fertig.

Katsch verwies darauf, dass noch kein einziger Bischof zurückgetreten sei. Verantwortung löse sich in Dutzenden Studien und Gutachten auf. Kein einziger Betroener habe eine angemessene Entschädigung erhalten, sondern alle seien mit Freiwilligen Anerkennungsleistungen abgespeist worden.

Auch die Initiative Wir sind Kirche kritisierte ein quälend langsames Vorgehen der Bischöfe. Die jetzt vorgestellten neuen Eckpunkte seien mit nur geringer Beteiligung der Betroenen und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken entstanden. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, dass es den Bischöfen nach so vielen Jahren nicht gelungen sei, eine arbeitsfähige Neustrukturierung der Arbeit zu gestalten, sondern dass erstmal nur Eckpunkte vorgestellt worden seien.

Zuletzt geƤndert am 28­.09.2022