März 2022 – Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Warum mir der Synodale Weg Mut macht.

Lange habe ich den synodalen Weg sehr skeptisch betrachtet. Diese Aktion erschien mir als neue Ausflucht aus dem Dilemma, in das Amtskirche und deren willfährige Unterstützer und folgsame Gehilfinnen unsere Kirche geführt hatten. Eine Ausflucht ohne kirchenrechtliche Relevanz. Die dritte Vollversammlung in Frankfurt hat mich eines besseren belehrt.

Es überraschte uns bei Wir sind Kirche Deutschland, wie viele Gruppen und kirchliche Verbände sich unserem offenen Brief an die Teilnehmenden der 3. Synodalversammlung  angeschlossen hatten. Darin heißt es: „Mit großem persönlichem Einsatz und mit hoher moralischer, theologischer und pastoraler Verantwortung sind entscheidende Texte erarbeitet worden. Dafür sprechen wir als Reformgruppen und Verbände unseren Dank aus. Jetzt erwarten wir von den Teilnehmenden der 3. Synodalversammlung, diese wegweisenden Vorlagen mit eindeutigen Mehrheiten zu beschließen, sodass sie auch vom Vatikan wahrgenommen und akzeptiert werden.“

Es waren nicht die Bischöfe, die mich überzeugten, auch wenn die meisten derer, die sich zu Wort meldeten, deutlich ihre Überzeugung für grundlegende Systemveränderungen zum Ausdruck brachten. Es waren auch nicht die weit über Zweidrittel-Mehrheiten, mit denen die Anträge der Antragskommissionen abgestimmt wurden. Es waren die Wortbeiträge vieler Nichtkleriker, Ordensfrauen, Betroffener, Professorinnen und Professoren, Verbandsvertreterinnen und Vorsitzender. Es war der heilige Ernst, mit dem die Auseinandersetzung betrieben wurde, die dichte Konzentration und Aufmerksamkeit, das ehrlich zum Ausdruck gebrachte Leiden am Hochmut und an der Unbelehrbarkeit der Institution, die Einsatzbereitschaft, die Hoffnung und Unbeirrbarkeit. Die Kraft, die über der Versammlung schwebte, sie durchzog, habe ich als wirkliche Geistkraft erlebt.

Was ich mir mehr wünsche als den schnellen Transport der Stellungnahmen an die betreffenden Stellen im Vatikan ist, dass die Synodalversammlung und das dort deutliche Selbst-Bewusstsein  ausstrahlt auf unsere Gemeinden, auf die dort angesiedelten Gruppen, auf die Einzelnen, die vielleicht schon mut- und hoffnungslos gewordenen Menschen, die sich von der Institution und ihren Gemeinden verabschiedet haben. Ich wünsche mir weniger Willfährigkeit, Unterordnung und Gehorsam. Ich wünsche mir mehr Solidarität innerhalb der Gemeinden und Diözesen mit denen, die aufstehen, Kritik äußern, Neues probieren. Ich wünsche mir mehr Nacktheit in unserer Kirche, damit wir das Wehen der Geistkraft auf der Haut spüren.

Sigrid Grabmeier
Wir sind Kirche Deutschland

 

 

 

Zuletzt geändert am 09­.03.2022