Juni 2011 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

Streit um das „goldene Mahl“

Um das gemeinsame Mahl lässt sich trefflich streiten. Das ist wohl in jeder kinderreichen Familie so. Auch die Urgemeinde stritt schon über die rechte Feier des Herrenmahls. In der Zeit der Reformation ging der Streit um die Kelchkommunion, die lateinische Kirche untersagte den „Laienkelch“.

In Österreich mag die Ökumene keine so große Rolle spielen, in Deutschland tut sie es nach wie vor. Seit dem 1. Ökumenischen Pfingsttreffen vor genau 50 Jahren im Juni 1971 in Augsburg sind alle ökumenischen Treffen mit dem immer drängender werdenden Wunsch auch nach der gemeinsamen Mahlfeier verbunden. Die reformierten und lutherischen Kirchen einigten sich 1973 auf die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Aber dreißig weitere Jahre dauerte es dann, bis der 1. Ökumenische Kirchentag 2003 in Berlin auch mit der römisch-katholischen Kirche stattfinden konnte.

Die dort gefeierten Gottesdienste mit wechselseitiger Gastfreundschaft bei Eucharistie und Abendmahl durften aber nicht in das offizielle Kirchentagsprogramm aufgenommen werden. Kurz zuvor hatte Johannes Paul II. sogar verfügt, dass für Katholik*innen die Teilnahme am evangelischen Abendmahl unter keinen Umständen möglich sei. Doch die beiden Gottesdienste in der Berliner Gethsemanekirche, die Wir sind Kirche mitgestaltete, waren ein unvergessliches ökumenisches und zukunftsweisendes Ereignis, das bis heute nachwirkt. Die katholischen Priester Prof. Dr. Gotthold Hasenhüttl und Bernhard Kroll allerdings wurden von ihren Bischöfen abgestraft. Die vom damaligen Trierer Bischof Reinhard Marx verhängte Suspendierung vom Priesteramt und der Entzug der Lehrbefugnis für Gotthold Hasenhüttl sind bis heute nicht korrigiert worden.

Was beim Kirchentag 2003 noch ein Eklat war, wurde vom 3. Ökumenischen Kirchentag im Mai 2021 in Frankfurt ganz offiziell empfohlen: Die Gottesdienste der anderen christlichen Traditionen kennenzulernen und in Verantwortung vor dem eigenen Gewissen auch Kommunion und Abendmahl zu empfangen. Vorbereitet war dies durch die 2019 veröffentlichte Studie "Gemeinsam am Tisch des Herrn“ des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen. Die Studie stellt fest, dass es keine theologischen Gründe gebe, die jeweils andere Konfession vom Abendmahl auszuschließen. Denn der Einladende ist Jesus.

Doch auch diesmal versuchten vatikanische Behörden, die konkrete Ökumene zu stoppen. Die Unterschiede im Eucharistie- und Amtsverständnis seien "noch so gewichtig". Auch für eine "individuelle Gewissensentscheidung" gebe es keine Grundlage, hieß es aus Rom. Ein Aussage, die nicht dem heutigen römisch-katholischen Gewissensverständnis entspricht!

Eine heikle Situation für Bischof Georg Bätzing, den gastgebenden Bischof des 3. ÖKT und Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, der alles tut, um mit Rom im Dialog zu bleiben. Zwar konnte er keine offizielle Einladung zur Teilnahme aller Getauften zur Eucharistie aussprechen, aber er wies die Priester seiner Diözese an, zumindest keine Ausladung von Glaubenden anderer Konfessionen auszusprechen.

Beim 3. ÖKT wurde letztlich in aller Öffentlichkeit das vollzogen, was beim 1. ÖKT in Berlin grundgelegt wurde, seitdem in vielen Studien theologisch begründet und von der großen Mehrheit der Christinnen und Christen allüberall praktiziert wird. Dieser ökumenische Weg für ein glaubwürdiges Christentum darf nicht durch fundamentalistische Diskussionen und autoritative Akte gestört werden. Vielmehr ist es jetzt an der Zeit, die nach 2003 gegen den katholischen Geistlichen Gotthold Hasenhüttl verhängte Suspendierung vom Priesteramt und den Entzug der Lehrbefugnis endlich aufzuheben.

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
Mehr Informationen: www.wir-sind-kirche.de/oekt3

Zuletzt geändert am 19­.05.2021