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Veröffentlicht am 15­.03.2019

15.3.2019 - Acher-Rench-Zeitung

Was kommt auf Katholiken zu?

Dekan Georg Schmitt sieht in den künftigen Strukturen nicht nur Nachteile / Stärkere Rolle der Frau?

Weniger Katholiken, weniger Kirchensteuereinnahmen, weniger Priester und pastorale Mitarbeiter: Die ehemalige Volkskirche schrumpft weiter. Die von Erzbischof Stephan Burger angekündigte Neuorganisation beschäftigt jetzt die Verantwortlichen vor Ort. VON MICHAELA GABRIEL

Achern/Kappelrodeck. »Es braucht Reformen«, bestätigt Dekan Georg Schmitt aus Kappelrodeck im Gespräch mit der ACHER-RENCH-ZEITUNG. Deshalb habe ihn das im Februar in Freiburg vorgestellte Arbeitspapier des Erzbischofs »Pastoral 2030« nicht gewundert. Allerdings sei er über die angestrebte Zahl von nur noch 40 statt bisher 224 Seelsorgeeinheiten im Erzbistum überrascht. Er erinnert daran, dass es ursprünglich rund 1000 Pfarreien gab.

In Zukunft soll ein leitender Pfarrer für rund 40 000 Katholiken verantwortlich sein – entlastet von Verwaltungsarbeiten durch neu einzusetzende Geschäftsführer. »Das könnte eine Verbesserung gegenüber heute bedeuten«, so Georg Schmitt. Der leitende Pfarrer werde weitere Priester in seiner Seelsorgeeinheit haben. Im heutigen Dekanat Acher-Renchtal rechnet er mit künftig sechs statt bisher neun Priestern. Das Angebot an Eucharistiefeiern werde kleiner werden: »Ob an einem Ort oder an wechselnden Orten ist noch nicht geklärt.«

Eine Diskussion über die Rolle der Frau in der katholischen Kirche hat Erzbischof Burger in der Diözesankonferenz im Februar abgelehnt. Dekan Schmitt sieht die Sache so: »Leiter von Bereichen vor Ort werden Frauen und Männer sein. Ich spreche mich dafür aus, Laien zu fördern, sie zu senden und ihnen Spielräume zu lassen.« Beim jüngsten Treffen aller Priester des Dekanats sei vor allem die Sorge zum Ausdruck gekommen, ob das Engagement der Ehrenamtlichen bleiben werde.

»Viele Fragen im Raum«

»Es stehen noch viele Fragen in Raum«, weiß auch Ursula Knoll-Schneider, Vorsitzende des Dekantsrats und Pfarrgemeinderätin in der Seelsorgeeinheit Lauf-Sasbachtal. Dies seien Fragen nach Leitung in den Gemeinden vor Ort, nach der Rolle der Gemeindeteams, dem Profil der Pfarrgemeinderäte und wie es gelingen könne, »Kirche im Dorf zu lassen« und dennoch in größeren Räumen zu denken. Dies werde in allen Räten auf allen Ebenen in den kommenden Monaten Thema sein.

Die Menschen vor Ort sollten an Entscheidungen beteiligt sein und vorhandene Spielräume entdecken und nutzen, meint Martin Müller, Geschäftsführer des Diözesanrates in Freiburg, der in Obersasbach lebt. Über den Zuschnitt einer Kirchengemeinde im Großraum Achern will er nicht spekulieren: »Sie wird anders aussehen als heute und sie muss anders gestaltet werden.«

Größe noch ungewiss

Größe und Ausdehnung der neuen Kirchengemeinde im Raum Achern sieht auch Regine Schwall-Geier noch nicht. Die Acherner Pfarrgemeinderatsvorsitzende ist aber »durchaus motiviert, die Veränderungen mit zu gestalten.« Dazu braucht es nach ihrer Ansicht unter anderem »hauptamtliche Laien, Frauen mindestens im Diakonat und die Freistellung der Lebensform für Priester«. Es gelte nun, »von der Basis aus positiv zu formulieren, was wir wollen und vor Ort brauchen und auf einen echten Dialog zu bestehen. « Dabei wolle sie »möglichst viele Menschen mitnehmen, die Vielfalt wertschätzen, auf die Kraft des Gebetes und unserer gestalteten Gottesdienste bauen und auf das Wirken des Heiligen Geistes vertrauen.«

Kritik aus Oberachern

Klaus Huber aus Oberachern, sozial engagierter Katholik und Mitglied bei »Wir sind Kirche«, sieht »Pastoral 2030« sehr kritisch. Das Papier sei eine »Beschäftigungstherapie « für die Gremien. Es solle ablenken von den »wesentlichen Reformen, die längst anstehen.« Er schlägt in einem Leserbrief, den er der Wochenzeiung des Erzbistums zugestellt hat, einen radikalen Umgang mit den Arbeitspapieren vor: »Alle, die damit arbeiten sollen, sollten sie öffentlich dem Reißwolf übergeben. « Stattdessen brauche die Kirche eine Freistellung des Zölibats als Lebensform, die Einsetzung von verheirateten Männern in Ämter und die Beteiligung von Frauen durch Diakonat und letztlich auch das Priesteramt. 

 

I N F O: Pastoral 2030

»Es wird nicht so weitergehen wie bisher«, steht in der Einführung in die Veränderungsprozesse der katholischen Kirche im Erzbistum Freiburg. Man werde sich vom Modell einer vorwiegend von Hauptberuflichen getragenen und verantworteten Kirche verabschieden müssen.

Die Zahl der Seelsorgeeinheiten soll von derzeit 224 auf 40 reduziert werden. Nicht zuletzt finanzielle Erwägungen zwingen die Erzdiözese zu diesem Schritt: Die Kirchensteuern stiegen zuletzt noch stetig an, weil die Löhne in Baden- Württemberg stiegen. Doch schon heute müsse auf Rücklagen und Zinserträge zurückgegriffen werden, um die laufenden Kosten zu decken, heißt es. Kirchenaustritte und der Ruhestand von heute noch gut verdienenden Katholiken würden die Einnahmen deutlich sinken lassen.

2010 gab es noch knapp zwei Millionen Katholiken im Erzbistum Freiburg.

Im Jahr 2035 könnten es nur noch 1,3 Millionen sein. Die Zahl der Gottesdienstbesucher könnte von 217 000 im Jahr 2010 auf unter 100 000 im Jahr 2030 sinken. 2017 hatte das Erzbistum noch 1091 Priester, Diakone und Pastoral- und Gemeindereferenten. 2030 könnten es nur noch rund 600 sein.

Internet: kirchenentwicklung2030. de Mail: pastroral2030@ebfr. de.

Zuletzt geändert am 15­.03.2019