21.2.2019 - Münchner Merkur

Kirchenreformer hoffen auf Kardinal Marx

Heute startet im Vatikan der Anti-Missbrauchsgipfel, um ein einheitliches Vorgehen in der katholischen Kirche gegen sexuellen Missbrauch zu erreichen. Das hätte viel früher passieren müssen, schimpfen Kirchenreformer. Sie hoffen auf klare Anweisungen für die Bischöfe.

VON CLAUDIA MÖLLERS

München – „Das Wissen war schon lange da“, ärgert sich Christian Weisner, Sprecher der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ in München. Einen Tag vor Beginn des Krisengipfels, zu dem Papst Franziskus die Vorsitzenden der rund 140 nationalen Bischofskonferenzen und die Ordensoberen zusammengerufen hat, bekräftigen deutsche Kirchenreformer ihre seit Mitte der 90er-Jahre erhobenen Forderungen: „Schluss mit der Doppelmoral, Aufgabe der Zölibatspflicht, Gleichberechtigung von Frauen, eine Reform der Sexualmoral und einen veränderten Umgang mit Homosexualität.“

Schon 1995, nachdem dem damaligen Wiener Kardinal Groer schwerer sexueller Missbrauch von ehemaligen Schülern vorgeworfen worden war, hatte sich die Kirchenvolksbewegung gegründet. „Wenn man damals schon reagiert hätte, wäre vielen Menschen schlimmes Leid erspart geblieben und die Glaubwürdigkeitskrise wäre nicht so groß“, zeigt sich Weisner überzeugt. Die Organisation bittet nun den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, den Münchner Kardinal Reinhard Marx, sich „angesichts der existenziellen Krise der Kirche“ für grundlegende Reformen stark zu machen. „Wenn Sie sich an die Spitze der Reformbewegung setzen, haben Sie uns entschlossen hinter sich.“

Der ehemalige Priester Edgar Büttner, der sein kirchliches Amt verloren hat, nachdem er sich in eine Frau verliebt hatte, schilderte seine Empörung über das systematische Vertuschen von Missbrauchsfällen. „Während die einen gedeckt wurden, sind die anderen sofort suspendiert worden“, sagt der Familienvater aus Bad Aibling (Kreis Rosenheim), der freiberuflich als Coach arbeitet. Priester wie er, die sich zu einer Frau bekannt hatten, hätten ihre berufliche Existenz verloren, während Sexualstraftäter nur in andere Pfarreien versetzt worden seien. Allein in München und Umgebung leben laut Büttner 400 verheiratete ehemalige Priester. Der Zölibat sei mehr als nur ein Thema unter vielen: „Er hat eine symbolische Kraft, die zeigt, dass Kirche nicht bereit ist, sich zu verändern.“ Zudem sei die verpflichtende Ehelosigkeit ein „Risikofaktor für sexualisierte klerikale Gewalt“.

Magnus Lux, ehemaliger Religionslehrer, sieht in der Klerikalisierung und Sakralisierung wesentliche Ursachen für sexuellen Missbrauch. Priester hielten sich dadurch für unangreifbar. Lux verwahrt sich gegen die Behauptung konservativer Kreise, die Homosexualität sei die große Gefahr. Vielmehr sei es eine Frage der sexuellen Unreife – die gebe es bei Homosexuellen ebenso wie bei Heterosexuellen. „Homosexualität ist weder eine Krankheit, die geheilt werden muss, noch eine Sünde, die von der Gemeinde ausschließt“, so der Theologe.

Der Papst muss nach Überzeugung der Reformer jetzt handeln. Man dürfe nicht warten, bis der letzte Bischof von Veränderungen überzeugt sei. Der Bewusstseinswandel müsse jetzt kommen.

 

Zuletzt geändert am 23­.02.2019