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Veröffentlicht am 20­.02.2019

20.2.2019 - www.european-news-agency.de

Breite Zustimmung zu Kirchenurteil des BAG

Verantwortlicher Autor: Jochen Raffelberg Köln

Köln [ENA] Das Erzbistum Köln will mögliche Konsequenzen eines Urteils des Bundesarbeitsgerichts (BAG) “intensiv prüfen”, demzufolge die Kündigung eines Chefarztes durch ein katholisches Krankenhaus wegen Wiederheirat nach Scheidung unwirksam ist. Während unklar blieb, ob die Kirche Verfassungsbeschwerde einlegen wolle, begrüssten der Marburger Bund, die Gewerkschaft Verdi und die Bewegung Wir sind Kirche das Urteil.

Für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) stellt das Urteil vom Mittwoch klar, dass kirchliche Arbeitgeber ihren Beschäftigten “keine Loyalitätspflichten auferlegen dürfen, die nicht im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit stehen”. Während die Kölner Kurie mitteilte, dass sie das schriftliche Urteil abwarte, erklärte die kirchenkritische Bewegung Wir sind Kirche, die in der Verfassung garantierten Grundrechte zur persönlichen Lebensführung müssten “endlich auch in kirchlichen Arbeitsverhältnissen gelten”. Wegen der vielen Kirchenmitarbeiter müsse die Ausdehnung kirchlicher Forderungen auf den Sozialbereich, in dem der Staat Arbeitsverhältnisse der Kirchen in großem Masse finanziere, staatlicherseits zurückgebaut werden.

Trotz der Neuregelung kirchlicher Arbeitsverhältnisse von 2015 drohe Mitarbeitern im Bereich der kirchlichen Verkündigung nach wie vor im Falle einer Wiederheirat die Kündigung bzw. bei den vom Staat bezahlten Religionslehrkräften der Entzug der kirchlichen Lehrerlaubnis, erklärte Wir sind Kirche. Die Ärztevertretung Marburger Bund sieht in dem Urteil eine Entscheidung mit hoher Symbolkraft. Es sei allerhöchste Zeit, dass sich kirchliche Arbeitgeber nicht mehr auf ihren “längst überholten Privilegien” ausruhen könnten, sondern sich ohne Einschränkungen dem weltlichen Arbeitsrecht stellen müssten“. Allein in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz gebe es über 250 kirchliche Krankenhäuser mit zehntausenden Mitarbeitern.

Das BAG-Verfahren betrifft die 2009 ausgesprochene Kündigung eines Chefarztes am katholischen St. Vinzenz-Krankenhaus in Düsseldorf wegen Wiederheirat, welche nach dem damals geltenden kirchlichen Arbeitsrecht einen Loyalitätsverstoß darstellte, sagt die Kurie. Dagegen hatte der Arzt geklagt. Das Bundesverfassungsgericht habe im Jahr 2014 im Grundsatz das verfassungsrechtlich verbürgte Recht der Kirchen bestätigt, ihren – insbesondere leitenden - Angestellten Loyalitätsobliegenheiten aufzuerlegen und dabei auch nach der Konfession zu unterscheiden. Das BAG habe in der Folge dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage vorgelegt, ob diese Rechtslage mit europäischem Recht vereinbar sei.

Im September letzten Jahres urteilte der EuGH, dass die Auferlegung von nach der Religionszugehörigkeit unterschiedlichen Loyalitätsobliegenheiten bei leitenden Angestellten eines katholischen Krankenhauses nur unter bestimmten, engen Bedingungen EU-rechtsgemäss sei. Laut Kurie ist das BAG heute vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des EuGH zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kündigung rechtswidrig gewesen sei. Weiter heisst es in der Kölner Stellungnahme, der Kündigungssachverhalt wäre nach heute geltendem Kirchenrecht anders zu beurteilen. Der Prozess berühre aber Grundsatzfragen des Verhältnisses des nationalen Verfassungsrechts zum EU-Recht.

Das BAG hatte dagegen in seiner Begründung ausführte, der katholische Arzt sei gegenüber nicht katholischen Kollegen unzulässig benachteiligt worden. Der Chefarzt hatte in der Kündigung einen Verstoss gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung gesehen. Laut katholischem Kirchenrecht gilt eine Wiederheirat als ungültige Ehe. Der Fall berührt die Sonderrechte der Kirchen als Arbeitgeber für weit über eine Million Mitarbeiter. Artikel 140 des Grundgesetzes garantiert den Kirchen ein Selbstbestimmungsrecht bei ihren Angelegenheiten. Danach können sie ohne Mitwirkung des Staates interne Ämter ohne äussere Einmischung besetzen; sie müssen sich jedoch an die Schranken der für alle geltenden Gesetze halten.

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Zuletzt geändert am 21­.02.2019