November 2018 - Kirche In

Lernwerkstatt Bischofssynode

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Wird die gerade zu Ende gegangene Jugend-Bischofssynode in Rom mehr sichtbare Erfolge vorweisen können als die beiden Familiensynoden 2014 und 2015? Christian Weisner von der deutschen KirchenVolksBewegung war wieder für KIRCHE IN beim Presseamt des Vatikans akkreditiert und hat die Eröffnung der Jugend-Synode in Rom miterlebt.

Die Rahmenbedingungen waren denkbar ungünstig. Der Pennsylvania-Report aus den USA, die deutsche MHG-Studie zur sexualisierten Gewalt durch Kleriker und die Rücktrittsforderung an Papst Franziskus von Erzbischof Viganò sind noch lange nicht verdaut. Da sollten 267 Bischöfe hinter verschlossenen Türen in Rom in dreieinhalb Wochen Antworten auf die Fragen von "Jugend, Glaube und Berufungsunterscheidung" finden? Die sogenannten 49 Auditores, die die eigentliche Zielgruppe vertraten, waren in der Synodenaula noch nicht einmal stimmberechtigt und durften sich nur sehr eingeschränkt zu Wort melden.

Zwar hat es auch diesmal wie bei den Familiensynoden einen weltweiten Fragebogen gegeben, der jedoch nicht so viele Jugendliche erreicht hat, wie man erhofft hatte. Viele gerade der kritischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen – angesprochen waren die 16- bis 29-Jährigen – interessieren sich schlicht nicht mehr dafür, was „die Kirche“ sagt. Ein wichtiges Signal setzte aber die einwöchige Vorsynode mit 300 jungen Menschen im März 2018 in Rom. Das anschließende Arbeitspapier für die Synode „Instrumentum laboris“ mit dem Dreischritt „Erkennen, Interpretieren, Wählen“ nahm wichtige Forderungen auch der deutschsprachigen Jugendverbände auf, die kurz vor der Synode nochmal eine eigene 5-Punkte-Erklärung verabschiedeten, die sich wie ein Update des KirchenVolksBegehrens aus dem Jahr 1995 liest.

In seiner Eröffnungsrede lud Papst Franziskus zu konstruktiver Kritik und aufrichtigem Dialog ein. Man dürfe nicht mehr einfach über die Köpfe der Jugend hinweg entscheiden, sondern solle „gemeinsam mit ihnen träumen“. Berufung begrenzte er nicht mehr nur auf Priester und Ordensleute und forderte dazu konkrete seelsorgliche Vorschläge. Die kamen sehr wohl in den durchaus bemerkenswerten Statements der ersten Woche. Weihbischof Wübbe aus Osnabrück: „Wie können wir allen marginalisierten jungen Menschen eine Stimme in unserer Kirche geben, nicht zuletzt auch denen, die Opfer von sexuellem Missbrauch und sexualisierter Gewalt in unserer Kirche wurden? Das geht nur, wenn wir unsere kirchlichen Strukturen, unsere Arbeits- und Verfahrensweisen, ja unsere Sprache insgesamt ganz von diesen Schwachen her neu denken.“ Thomas Andonie, der 660.000 junge Menschen des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) vertritt, forderte die Aufdeckung klerikalistischer Strukturen und sprach die Weihe von Frauen und homosexuelle Partnerschaften an. Nur wenn die Kirche bereit ist, diese Lebenswirklichkeiten anzuerkennen, wird sie in diesen wichtigen Fragen mit jungen Menschen neu ins Gespräch kommen können.

Heißes Eisen: Missbrauch

Der Münsteraner Bischof Felix Genn, Vorsitzender der Kommission für geistliche Berufe und kirchliche Dienste in der Deutschen Bischofskonferenz, warnte: Jeder Missbrauch durch Verantwortliche der katholischen Kirche sei "geistlicher Missbrauch, da er in einem seelsorglichen Kontext geschieht". Es handle sich dabei um "Macht- und Vertrauensmissbrauch, der bis hin zu sexuellem Missbrauch gehen kann".

Und schließlich Kardinal Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der von Papst Franziskus in die Synode berufen wurde: „Wir können uns nicht mehr einfach aus den Diskursen der Gegenwart heraushalten und müssen neu eine Streitkultur lernen, um uns argumentativ und orientierend in die gesellschaftlichen Debatten zu zentralen Grundfragen des Menschseins, wie der Sexualität, der Rollen von Frauen und Männern und der menschlichen Beziehungsgestaltung, einzubringen. Und wir müssen um der eigenen Glaubwürdigkeit willen, Frauen auf allen Ebenen der Kirche, von der Pfarrei bis auf die Ebenen von Bistum, Bischofskonferenz und auch im Vatikan selbst, noch weitaus mehr an Führungsaufgaben beteiligen. Wir müssen das wirklich wollen und auch umsetzen! Der Eindruck, dass die Kirche, wenn es um die Macht geht, letztlich eine Männerkirche ist, muss in der Weltkirche und auch hier im Vatikan überwunden werden. Sonst werden die jungen Frauen bei uns keine wirkliche Gestaltungmöglichkeit finden. Es ist höchste Zeit!“

Die Synode selber tagte zwar ohne Presse hinter verschlossenen Türen, aber die Teilnehmenden waren frei darin, ihre Statements zu veröffentlichen und Interviews zu geben, was auch reichlich geschah. Dazu gab es tägliche Presse-Briefings im Sala Stampa, dem Presseamt des Vatikans.

Aber auch außerhalb der Synodenaula gab es Dinge, die die internationale Presse in Rom interessierten. Die neue internationale Vereinigung „Ending Clerical Absuse“ (ECA), zu der auch Matthias Katsch und die Betroffenenorganisation „Eckiger Tisch“ aus Deutschland gehören, veranstaltete eine vielbeachtete Mahnaktion vor der Engelsburg. Erstmals interessierten sich auch italienische Medien für dieses dunkle Kapitel der Kirche. Die Engelsburg gab eine eindrucksvolle Kulisse für die immer noch starke Abwehrhaltung der Amtskirche. Auch der BDKJ-Vorsitzende Thomas Andonie zeigte seine Solidarität, bevor er als Auditor zur Eröffnung der Bischofssynode eilte.

Frauenstimmen

Zu Beginn der Synode forderten mehrere Fraueninitiativen, darunter Women’s Ordination Worldwide (WOW) und FutureChurch aus den USA, mit einer Straßenaktion vor dem Gebäude der Glaubenskongregation eine Beteiligung von Frauen an den Entscheidungsgremien in der katholischen Kirche. Ihre Petition für Stimmrecht für Ordensoberinnen in der Synode, so wie dies einzelne männliche Ordensobere haben, erhielt schnell fast 10.000 Klicks im Internet. In einem Interview hielt übrigens auch Bischof Genn ein Stimmrecht für weibliche Ordensobere bei Bischofssynoden für vorstellbar. In einem Gemeindesaal in Rufweite des Vatikans ließen die Fraueninitiativen dann vier Frauen als „Voices Outside the Synod” zu Wort kommen. Unter ihnen Paola Lazzarini, die die sogar im L’Osservatore Romano veröffentlichte Erklärung „Donne Per La Chiesa“ vorstellte, und Jacqueline Straub über ihre eigene Berufung zum Priesteramt.

Die entscheidende Arbeit an konkreten Texten fand in 14 Sprachgruppen, darunter eine deutsche, statt. Die Ergebnisse jeder Woche zu den drei Punkten des „Instrumentum laboris“ wurden in der Synodenaula verlesen und dann veröffentlicht. Sexualisierte Gewalt, die Digitalisierung, junge Geflüchtete, die Begleitung junger Menschen durch ebenfalls junge Menschen oder die zu negative Sprache des Arbeitsdokuments wurden offen angesprochen, genauso wie Umweltfragen, Sklaverei und Menschenhandel. „Mit so viel Mut, mit so viel Lust am Gestalten hatte ich nicht gerechnet“, schrieb Simon Linder vom BDKJ-Team in Rom in der ersten Woche in seinem Blog. Für manchen Bischof mag dies die lebhafteste Synode gewesen sein, die er bisher besucht hat, eine Lernwerkstatt des Zuhörens. Doch am Ende werden junge Menschen ihre Bischöfe daran messen, welche umsetzbaren Empfehlungen sie Papst Franziskus aussprechen. Spiegeln diese wirklich die Perspektive der Jugend? Oder sind sie nicht immer noch ein klerikaler, von geistlicher Verantwortung und Überlegenheit geprägter Blick der Bischöfe auf die Jugend? Man darf gespannt sein auf den Brief, den die Bischofssynode am Ende ihrer Beratungen am 28. Oktober an junge Leute richten wird. Und später auf das postsynodale Schreiben von Papst Franziskus.

Zuletzt geƤndert am 30­.10.2018