11.10.2018 - Handelsblatt

„Das ist unchristlich“ – Katholische Reformer kritisieren Papst Franziskus für dessen Auftragsmord-Vergleich

Katholische Reformer werfen dem Papst unchristliches Verhalten vor. Dieser hatte Abtreibungen mit Auftragsmorden verglichen.

Dietmar Neuerer

Berlin. Die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ kritisiert Papst Franziskus für seine Äußerungen zu Abtreibungen scharf. Es sei zwar richtig, dass ein Schwangerschaftsabbruch keine Probleme löse. „Jedes Leben ist zu schützen, gerade auch das Leben von Behinderten“, sagte „Wir sind Kirche“-Sprecher Christian Weisner dem Handelsblatt.

„Aber den jungen Frauen, die sich in ihrer existenziellen Not nicht anders zu helfen wissen, auch noch die Schuld aufzuladen, sie würden den Auftrag zum Mord erteilen – das ist unchristlich.“

Papst Franziskus hatte Abtreibungen am Mittwoch bei seiner Generalaudienz mit einem Auftragsmord gleichgestellt. „Das kann man nicht machen, es ist nicht gerecht, einen Menschen umzubringen, auch wenn er klein ist“, hatte er gesagt – und vom Redemanuskript abweichend hinzugefügt: „Es ist, wie einen Auftragsmörder zu mieten, um ein Problem zu lösen.“

Weisner warf dem Papst vor, dass er nicht nach der Verantwortung der Männer frage, „die sich oft so leicht aus der Affäre ziehen“. Und er fragte, warum „unsere Kirche“ nicht endlich die modernen Methoden der Familienplanung akzeptiere. Zugleich forderte er den Papst zum Umdenken auf. „Es ist wirklich höchste Zeit, dass Du auch von Frauen beraten wirst“, sagte er direkt an Franziskus gewandt.

Auch im politischen Berlin kommen die Äußerungen des Papstes nicht gut an. Dass Abtreibung in Deutschland hunderttausendfache Tötung ungeborener Kinder bedeute, dürfe nicht verschwiegen werden, schon gar nicht von den Kirchen.

„Wer aber in schwerwiegenden Konfliktlagen zum Ja zum Kind ermutigen will, sollte betroffene Frauen nicht in die Nähe der Killer-Beauftragung rücken“, sagte der Religionsbeauftragte der Unionsfraktion und stellvertretende Vorsitzende Hermann Gröhe (CDU) der Düsseldorfer „Rheinischen Post“.

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) sagte, keine Frau mache sich eine Abtreibungs-Entscheidung leicht. „Diese Frauen als Auftragsmörderinnen zu stigmatisieren, ist absolut inakzeptabel.“ Anschuldigungen und Beleidigungen seien der falsche Weg, betonte Giffey. Die Frauen bräuchten vielmehr Rat, Hilfe und Unterstützung.

Auch der Berufsverband der Frauenärzte reagierte empört. Frauenärzte kämen Frauen in einer Notlage zur Hilfe. „Sie führen nicht etwa Schwangerschaftsabbrüche durch, weil sie gewissenlos sind, sondern weil sie sich gerade aus Gewissensgründen zu dieser Hilfe verpflichtet fühlen“, sagte Verbandspräsident Christian Albring dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

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600 Zeichen, um die uns das HANDELSBLATT gebeten hatte, im Original-Wortlaut:

Lieber Papst Franziskus! Richtig, Schwangerschaftsabbruch löst keine Probleme. Jedes Leben ist zu schützen, gerade auch das Leben von Behinderten. Aber den jungen Frauen, die sich in ihrer existenziellen Not nicht anders zu helfen wissen, auch noch die Schuld aufzuladen, sie würden den Auftrag zum Mord erteilen – das ist unchristlich. Warum fragst Du nicht nach der Verantwortung der Männer, die sich oft so leicht aus der „Affäre“ ziehen? Warum akzeptiert unsere Kirche nicht endlich die modernen Methoden der Familienplanung? Es ist wirklich höchste Zeit, dass Du auch von Frauen beraten wirst.

Zuletzt geändert am 17­.10.2018