August 2015 - Kirche In (Kolumne „Unzensiert“)

An der Schwelle

Die österreichischen und Schweizer Bischöfe haben ihn schon hinter sich, für die deutschen Bischöfe ist er (verschoben vom September) in der dritten November-Woche in diesem Jahr: der Ad-limina-Besuch in Rom. An den „Türschwellen“ der Grabeskirchen der Apostel Petrus und Paulus werden die deutschen Bischöfe dem Papst persönlich über den Zustand ihrer jeweiligen Diözese zu berichten haben.

Der diesjährige Besuch wird ganz sicher anders verlaufen als der letzte im Jahr 2006, als Papst Benedikt im Amt war. Jetzt wird sich zeigen, ob und wieweit die deutschen Bischöfe bereit sind, dem Kurs von Papst Franziskus zu folgen. Johannes Paul II. ging es vor allem um die Zahl der Berufungen, Benedikt um die Rechtgläubigkeit, Franziskus aber erwartet „kühne und mutige Vorschläge“ für eine Pastoral, die auf die Gläubigen zugeht.

Seine Fragen an die Bischöfe könnten sein: Habt ihr wirklich alle Einrichtungen in eurem Bistum an der Suche nach neuen Lösungsvorschlägen für die Familien-Synode beteiligt? Seid Ihr endlich bereit, das Versagen eurer bisherigen Strukturreformen mit XXL-Gemeinden einzugestehen und andere Wege zu gehen? Habt ihr mit mir den Mut zu einem ehrlichen „synodalen Weg“, zum Hören auf den „sensus fidelium“, zum Dialog auf Augenhöhe?

Nicht nur für die Weltkirche und in Rom, auch für die Kirche in Deutschland stehen in diesem Jahr wichtige Entscheidungen an. Der 2010 nach dem deutschen „annus horribilis“ (als die systematische Vertuschung sexualisierter Gewalt ans Licht kam) von den Bischöfen einberufene Gesprächsprozess geht dem Ende zu. Doch mit welchem vorzeigbaren Ergebnis? Und wie soll es – gemeinsam mit dem Kirchenvolk – weitergehen? Nach dem Limburger Skandal haben alle Bischöfe volle Transparenz versprochen. Doch so einfach scheint es nicht zu sein, die finanziellen Verflechtungen zu entwirren. Mancherorts mangelt es wohl auch am Willen dazu. Für Limburg ist es übrigens noch immer nicht absehbar, wie und wann wieder ein neuer Bischof bestellt werden kann.

Also keineswegs „business as usual“, auch wenn die staatlichen Zuwendungen und die gute wirtschaftliche Situation dafür sorgen, dass trotz wieder stark angestiegener Austrittszahlen die Kirchenkassen immer voller werden. Die Schwelle zu einem wirklichen Neuanfang in jeder Hinsicht ist von den deutschen Bischöfen noch nicht überschritten worden. Vielleicht muss erst Papst Franziskus persönlich vorbeischauen und die neue Richtung weisen. Die offizielle Einladung für einen Staatsbesuch sogar noch vor dem Reformationsjubiläum 2017 ist in Rom eingetroffen und Franziskus soll gesagt haben, dass er die Einladung annimmt.

Christian Weisner
Wir sind Kirche Deutschland
www.wir-sind-kirche.de

Zuletzt geändert am 12­.09.2015